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: Der lange Schatten Helmut Kohls

Egal ob er eine Rede gehalten hätte oder nicht: Helmut Kohl beschäftigt die CDU mehr, als ihr lieb ist. Das belegte der Streit um den 3. Oktober. Kaum hatte die Sächsische Staatskanzlei die Feier zum 10. Jahrestag ohne eine Ansprache des Exkanzlers geplant, schon überbot sich die CDU mit Ersatzhandlungen. Der Landesverband Sachsen und die Bundespartei wollten Kohl gar mit einer eigenen Veranstaltung würdigen.

Kommentarvon SEVERIN WEILAND

Kohl und seine – immer noch zahlreichen – Anhänger dürfen sich freuen. Das Buhlen um die Person des Exkanzlers zeigt, dass er schon wieder fast so präsent ist wie vor der Spendenaffäre. Tief sitzt die Sehnsucht eines Teils der Partei, ihren Frieden mit dem Alten zu schließen. Der Streit um die Einheitsfeier offenbart aber, dass der Frieden bei der CDU noch lange nicht einkehren wird. Dass die Partei Kohl eine Veranstaltung schenken wollte, beweist: Der Druck der Kohlianer ist stärker als das Durchsetzungsvermögen der neuen Führung.

Und: Die Kritik am Umgang mit Kohl wird lauter. Mal hagelt es offene, mal verdeckte Beschwerden, sichtbar an den empörten Reaktionen über die anstehende Rede des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière in Dresden. Auf einmal sind dessen Stasi-Verstrickungen wieder Meldungen wert. Keine Neuigkeiten, gewiss. Doch in Verbindung mit der ebenfalls aus dem Osten stammenden CDU-Vorsitzenden Angela Merkel bekommt die Aufgeregtheit einen pikanten Beigeschmack: Seht her, wird der Partei signalisiert, da ist er, der bigotte Osten, der dem früheren Kanzler vorwirft, der Republik geschadet zu haben – und zugleich zulässt, dass einer mit Stasi-Verstrickungen zur Einheit sprechen darf!

Nur vordergründig geht es im Streit um Kohls Rede um die Frage, ob die Partei die historische Leistung ihres Patriarchen würdigt. Das werden andere tun, Historiker allen voran. Was die neue Führung jetzt lernt: Sie hat keinen großen Spielraum. Kohl hat zwar keine Macht mehr, aber einflusslos sind er und seine Gefolgsleute noch lange nicht. Was bleibt Merkel und Co.? Aussitzen? Das war die Stärke Kohls. Stillhalten? Schon eher.

Da mag sich die Partei programmatisch noch so erneuern und häuten, der Schatten Kohls verdunkelt alles. Also wird die CDU sich durchlavieren bis 2002. Wie auch immer man dann bei der Bundestagswahl abschneiden wird, gewiss ist nur eines: Kohl kandidiert nicht mehr.