Noch viel Arbeit bei der Arbeit

Unter 23 und ungelernt? Beim Jugendsofortprogramm wird erst einmal passgenau trainiert. Die Träger wundern sich über fehlende Jugendliche  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ja, wo sind sie denn, die arbeitslosen jungen Menschen? Für die die Bundesregierung das Jugendsofortprogramm (JUSOPRO) aufgelegt hat? Die früher bei unterschiedlichsten Trägern in verschiedensten Projekten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) praktisch gearbeitet haben? Die Träger wundern sich. „Wir haben zu Zeit keine geeigneten Jugendlichen“, schreibt das Arbeitsamt und lässt in mancher Maßnahme Plätze unbesetzt, die extra für junge Erwachsene erdacht wurden.

Beispielsweise bei dem Harburger Träger „Jugend in Arbeit“ sind in beiden JUSOPRO-Projekten Plätze frei. Auch in anderen ABM-Projekten geht der Anteil junger Erwachsener zurück. Was gut wäre, würde es darauf hindeuten, dass die Jugendlichen alle Arbeit oder Ausbildung haben. „Natürlich ist es besser, ein junger Mensch macht eine Ausbildung als ein Jahr ABM“, sagt Christine Hädelt, Geschäftsführerin von „Jugend in Arbeit“. Weil das aber nicht immer so leicht ist, setzt sie sich für ein Kombi-Modell ein: Zwei Jahre ABM können auf eine Ausbildung vorbereiten und als ein Ausbildungsjahr gezählt werden. Das brächte Perspektive und Kontinuität.

Auch in Steilshoop werden einem Jungerwachsenentreff keine jungen Arbeitslosen mehr geschickt. Und auch bei anderen Trägern geht der Anteil junger Erwachsener an ABM zurück. Denn das Arbeitsamt schickt viele der jungen Arbeitslosen in Trainingsmaßnahmen. Nach einer Abteilungsverfügung des Arbeitsamtes müssen bei jungen Erwachsenen unter 23 Jahren vorrangig JUSOPRO sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen geprüft werden.

Sind sie unter 23 und ungelernt, schreibt die Verfügung vor, dass sie in jedem Fall eine JUSOPRO-Trainingsmaßnahme durchlaufen. Die dauert bis zu drei Monaten und beschäftigt eher Kopf als Hände. Hier lernen die Jugendlichen, was sie nicht können, „passgenau“, wie es heißt: Sich bewerben, mit Computern umgehen, Deutsch, Sozialverhalten, den eigenen Standort bestimmen oder auch mal praktisch in der Werkstatt arbeiten. Noch im vergangenen Jahr lagen die Abbruchquoten bei über einem Drittel. Jetzt liegen sie laut Arbeitsamt bei etwa 20 Prozent.

Denn man hat Konsequenzen aus der hohen Quote und einer Studie der Johann Daniel Lawaetz-Stiftung gezogen. Die hatte herausgefunden, dass „die meisten Teilnehmer die Maßnahme als Zwang empfänden, und dass 80 Prozent sie nur begännen, um Leistungskürzun-gen zu vermeiden“. Die Studie zeigte auf, dass für bestimmte junge Erwachsene die Trainingscenter ungeeignet seien und empfahl „Langzeitmaßnahmen“ mit Qualifizierung und Betreuung.

Nun gibt es seit Beginn des Jahres vor dem Trainingscenter eine „Hinführungsphase“: Pädagogen nehmen Kontakt zu den Jugendlichen auf, nicht nur bei den Trägern, sondern beispielsweise auch in Jugendzentren und Internetcafés. Bernd Schröder, JUSOPRO-Koordinator beim Arbeitsamt sagt: „Wir haben es jetzt mit Jugendlichen zu tun, die den Behörden oft nicht wohlgesonnen sind.“ In ein- bis mehrwöchigen Phasen versuchen die Pädagogen zu klären, was der junge Mensch will, was er kann, woran es mangelt. Da werden Schulden geregelt, Plätze in Kindertagesstätten besorgt, Lebenslage und Wünsche einander näher gebracht. Erst danach kommt die entsprechende Trainingsmaßnahme. Oder auch nicht, wenn jemand beispielsweise gleich eine Ausbildung beginnen kann oder erst einmal Deutsch lernen muss.

Nach wie vor gehen anschließend die meisten in die eine oder andere Trainingsmaßnahme. Das Problem: Wer die abbricht, weil sie ihn vielleicht zu sehr an das erinnert, was er in der Schule gehasst hat, geht dem Arbeitsamt als Kontakt verloren und ist außerdem davon bedroht, dass ihm Arbeitslosengeld- oder -hilfe, bzw. Sozialhilfe gekürzt werden.

Deshalb fordern Kritiker, dass die Maßnahmen nicht dogmatisch allen verordnet werden, nur weil sie unter 23 und ungelernt sind. Diese Verfügung, die mit unterschiedlichsten Menschen stets auf gleiche Weise umzugehen vorschreibt, ist offenbar auch arbeitsamtsintern nicht umstrittten. Hans-Otto Bröker, Leiter der Berufsberatung, will sie nur als Empfehlung verstanden wissen. „Wenn dem Berufsberater etwas anderes sinnvoller erscheint, kann er das entscheiden.“ Auch Jörn Böttcher, Sprecher des Arbeitsamtes sagt, dass es sich mehr um eine Empfehlung handelt, „allerdings beschreibt sie ziemlich genau die Zielgruppe“.

Bei einer Sitzung des Ausschusses „Arbeitsmarktinstrumente“ hingegen sagte ein Abteilungsleiter des Arbeitsamtes, es sei „weiterhin zwingend erforderlich“, vor der Zuweisung in eine ABM/SAM, mittels einer vorgeschalteten Trainingsmaßnahme zu prüfen, ob der/die TeilnehmerIn für eine ABM geeignet ist“.

Probleme könnte es bei dieser Tendenz auch mit dem Koalitionsvertrag geben. In dem haben sich Rot-Grün nämlich versprochen, dass „insgesamt im Laufe der Legislaturperiode 2000 befristete Arbeitsverhältnisse für Jungerwachsene realisiert werden sollen“. Stefan Marks, Sprecher der Sozialbehörde, spricht von derzeit 2090 befristeten Arbeitsverhältnissen. 1205 davon sind allerdings Praktikumsplätze im QUAS-Programm und 200 sind ABM-Stellen, die aus Bundesmitteln bezahlt werden. Bleibt noch viel zu tun im letzten Jahr der Koalition.