Union weiß nicht, ob sie feiern will

Nach der Absage von Helmut Kohl erwägt die CDU offenbar, die eigene Einheitsfeier am 3. Oktober abzusagen. Zwischen dem Exkanzler und der Parteispitze herrscht Funkstille. Die Bonner Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe gegen Wolfgang Schäuble

von PATRIK SCHWARZ

Wie das so ist nach großen Blamagen: In der CDU-Parteizentrale bekamen die Mitarbeiter gestern kaum die Zähne auseinander. Nach der Ohrfeige Helmut Kohls für die neue Parteispitze wusste von Angela Merkels Helfern erst mal keiner weiter.

Nach Wochen des Streits um Kohls Rolle bei den Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Wiedervereinigung hatte Generalsekretär Ruprecht Polenz am Montag vor versammelter Presse ein Versöhnungsangebot gemacht: Die Partei werde eine eigene Feier ausrichten, um Kohls Verdienste zu würdigen. Nur Stunden später teilte Kohl mit, er werde nicht kommen.

Nach dieser Abfuhr steht die Riege um Angela Merkel vor der kaum minder peinlichen Frage, ob sie eine Feier abhalten soll, auch wenn der Hauptakteur eine Teilnahme ablehnt. Bis gestern Nachmittag war in der CDU-Spitze offenbar noch keine Entscheidung gefallen. Im ZDF heute journal hatte Polenz am Vorabend noch angedeutet, die Partei werde an ihren Plänen festhalten. „Mit Helmut Kohl stellte die Union den Kanzler der deutschen Einheit. Beides gilt es, auf einer Veranstaltung um den 3. Oktober gebührend zu würdigen“, sagte er. Die Parteizentrale vermied dagegen gestern die Festlegung auf eine Veranstaltung. Das CDU-Präsidium werde am kommenden Montag entscheiden, „in welcher Form“ der Rolle Kohls gedacht werde, sagte ein Sprecher der taz.

Die Blamage für Merkel hat deutlich gemacht, wie wenig überlegt die neue Parteiführung derzeit vorgeht. Mit ihrem Angebot einer Sonderfeier für Kohl hat sie sich ohne Not in Abhängigkeit von dem tief gekränkten ehemaligen Ehrenvorsitzenden begeben. Von den Plänen für die Feier war Kohls Büro angeblich unterrichtet. Das Timing seiner Erklärung, in der er auch seine Teilnahme am offiziellen Staatsakt in Dresden absagte, legt die Vermutung nahe, der Altkanzler habe nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, um seine Nachfolgerin bloßzustellen.

In der CDU-Spendenaffäre prüft die Bonner Staatsanwaltschaft unterdessen nach Angaben ihres Sprechers, ob sich wegen des Umgangs mit Fraktionsgeldern der CDU/CSU der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung ergibt, sieht aber „keine Hinweise“ gegen den früheren Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Die Frankfurter Rundschau hatte über Ermittlungen wegen des Transfers von 1,146 Millionen Mark aus der Kasse der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in die Parteikasse berichtet.