Antifaschismus ja! Bloß wie?

Die PDS tut sich nicht leicht im Umgang mit Rechtsextremismus: Ursachenforschung ist umstritten, in der Wählerschaft gibt es rechte Sympathien

von SEVERIN WEILAND

Der Oberbürgermeister von Sangerhausen, einer 27.000 Einwohner zählenden Stadt in Sachsen-Anhalt, hat dieser Tage einen offenen Brief an seine Amtskollegen in der PDS geschrieben. „Uns Kommunalpolitikern“ schrieb Fritz-Dieter Kupfernagel, „ist das Problem des Rechtsextremismus seit geraumer Zeitbekannt.“ In der täglichen Arbeit erführen sie, „wie hier lebende Ausländerinnen und Ausländer angepöbelt, schikaniert und sogar geschlagen werden – und das nicht nur von kahl geschorenen Jugendlichen oder erklärten Nazis“. Gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen schlägt Kupfernagel vor: von Runden Tischen gegen rechts über die Aufarbeitung der eigenen, kommunalen NS-Vergangenheit bis hin Unterstützung multikultureller Zentren, um „den Ausländer als Menschen neben mir in eigener Identität kennen zu lernen“.

Mit seinem Appell steht der PDS-Oberbürgermeister nicht allein. Auch der PDS-Bundesvorstand hat dieser Woche seine kommunalen Vertreter aufgefordert, sich verstärkt vor Ort gegen rechtsextremistische Erscheinungen zu engagieren. Die Bundestagsfraktion stellte gestern in Berlin gar ein Sofortprogramm gegen rechts vor. Unter anderem will die PDS, dass ein Prozent der Mittel aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für die „Verstärkung des Kampfes gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ eingesetzt werden – das wären beim gegenwärtigen Stand 900 Millionen Mark.

Der Aktionismus der PDS in diesen Tagen kann jedoch eine andere, für das Selbstverständnis der Partei gewichtige Debatte nicht verdecken: Wie verhalten sich die Äußerungen ihrer Spitzenpolitiker mit den Einstellungen in Teilen der Mitglieder- und Wählerschaft? Immerhin bindet die PDS, die in Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit der SPD regiert, in Sachsen-Anhalt eine SPD-Minderheitsregierung toleriert, rund 20 Prozent der ostdeutschen Wählerschaft. André Brie, der Stratege der PDS, hatte erst jüngst in einem Interview in der Berliner Zeitung die These vertreten, wenn es „die PDS nicht gegeben hätte, gäbe es in Ostdeutschland längst eine machtvolle rechte Partei“. Dass Bries Äußerungen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, belegte eine jüngst veröffentlichte Emnid-Umfrage: Danach können sich 19 Prozent der Anhängerschaft der PDS die Wahl einer rechtsextremen Partei „unter bestimmten Umständen“ vorstellen.

Brie, der Einzelkämpfer, war in seiner Analyse sogar noch weiter gegangen und hatte die Erscheinungen des Neonazismus mit dem Staatsverständnis der DDR in einen Zusammenhang gebracht: „Autoritätshörigkeit, Hierarchiedenken und Harmoniesucht der Ostdeutschen sind ein Nährboden für Neonazis. Nur wenn wir diese kulturellen Ursachen des Rechtsextremismus in Ostdeutschland reflektieren, werden wir eine Antwort auf die rechte Gefahr finden.“

Das sind Worte, die in der Führungsgremien von Bundestagsfraktion und Bundespartei nicht allzu gerne gehört werden. Fraktionschef Roland Claus nannte Bries These gestern „differenziert“, wenn auch „zu kurz gegriffen“. Er wolle die Probleme, die die DDR hinterlassen habe, nicht „klein reden“. Doch seien die heutigen rechtsradikalen Täter zum Zeitpunkt des Endes der DDR „6 oder 8 Jahre alt“ gewesen. Die PDS, so Fraktionschef Claus, müsse in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus „nicht bei null anfangen“. Wenn im Osten jemand gegen rechts zusammenkomme, dann drei Kräfte: die Kirchen, Antifa-Inititiaven und „PDS-Aktivisten“.

Wie Claus, so hatte jüngst auch Gabi Zimmer ihre Partei vor den Vorwürfen Bries in Schutz genommen. Viele PDS-Mitglieder seien mit einem „antifaschistischen Grundverständnis“ aufgewachsen. Andererseits, konzidierte die designierte Bundesvorsitzende, gebe es „Haltungen, die in einer sozialistischen Partei nichts zu suchen haben“. Doch eine Antwort auf die Frage, wie die PDS gegen fremdenfeindliche Einstellungen in den eigenen Reihen vorzugehen gedenke, bleibt auch Zimmer schuldig. „Weiter aufklären“ müsse man, erklärte sie in einem Interview in der Jungen Welt.

Im Oktober will die PDS den Rechtsextremismus zum Hauptthema ihres Bundesparteitages in Cottbus machen. Von einer Analyse der Ursachen, wie es Brie seiner Partei anheim stellt, will man jedoch absehen. Am Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat zu rühren gehört noch immer zu einem der Tabus der PDS. Lothar Bisky, scheidender Parteichef, versucht dabei einen heiklen Spagat. Er halte es „für offen“, ob die DDR zu aktuellen rechtsextremen Phänomen ihren Anteil beigetragen habe. Einerseits. Andererseits habe es Tendenzen gegeben, die „rechtsextremistische Gewalt gefördert“ hätten.