Filmfocus auf Asien

Fantasy Filmfest-Schwerpunkt  ■ Von Holger Römers

Warum nur? Warum um alles in der Welt wollen nordkoreanische Terroristen den zaghaften Aussöhnungsprozess mit dem südlichen Nachbarn partout durch Anschläge mitten in Seoul torpedieren? Diese Frage drängt sich in Shiri in der Tat auf, und so wird sie denn auch gleich mehrfach von den beiden Hauptfiguren, zwei südkoreanischen Geheimagenten, aufgeworfen. Eine überzeugende Antwort bleibt uns Kang Je-gyus Film dennoch schuldig, was das südkoreanische Kinopublikum aber nicht davon abgehalten hat, den kruden Propagandastreifen mit seiner exaltierten Mixtur aus Ballereien und Sentiment zum größten Kassenhit in der Geschichte des Landes zu machen.

Drei südkoreanische Blockbus-ter bilden beim diesjährigen „Fantasy Filmfest“ einen Schwerpunkt innerhalb der kleinen „Focus Asia“-Reihe. Wie im Falle von Kangs ungelenkem Polit-Thriller ist aber auch der große heimische Erfolg von Whispering Corridors aus europäischer Perspektive nur schwer nachzuvollziehen. Allzu sehr stellt Park Ki-kyungs naiver, kleiner Geisterfilm, der ausschließlich auf einem Schulgelände spielt, die ZuschauerInnen mit seinem zähen, zerstreuten Erzählstil auf eine Geduldsprobe.

Von einer betont eigenwilligen Erzählstruktur ist auch Tell Me Something geprägt. Spröde und distanziert entwickelt Chang Yoon-hyun seinen Serienkiller-Plot, und seine wortkargen Hauptfiguren – ein Kommissar und eine junge Frau, die zu allen Mordopfern eine persönliche Beziehung unterhielt – lassen sich nicht einmal von den ZuschauerInnen in die Karten blicken. Mit sicherem Gespür für Atmosphäre fotografiert, ist Tell Me Something der zugänglichste koreanische Festivalbeitrag. Allerdings verlangen abrupte Tempowechsel dem Publikum schon gesteigerte Konzentration ab, um nicht den Faden zu verlieren.

Während Chang auf den leises-ten Moment seines Films unvermittelt eine Massenkarambolage folgen lässt, schlägt der thailändische Regisseur Nonzee Nimibutr bereits in der ersten Szene von Nang-Nak einen elegischen Grundton an, den er dann unbeirrt beibehält. Lyrische Landschaftsaufnahmen und das archaische Schauspiel der beiden Hauptdarsteller prägen den Rhythmus dieses romantischen Geisterfilms, der mit großem Ernst die Legende einer Liebe erzählt, die noch über den Tod hinausreicht.

Von einem „Nach-Leben“, einem einwöchigen Übergangsstadium zwischen Leben und Tod, handelt auch der japanische Film After Life, der sicher zu den Höhepunkten des Festivalprogramms gehört. Wie so oft im Kino sind auch in Hirokazu Koreedas zweitem, wunderbar beiläufig inszenierten Spielfilm die Himmelsmächte bürokratisch organisiert. Jeden Montagmorgen tritt ein kleiner Sachbearbeiterstab in einem altmodischen Verwaltungsgebäude seinen Wochendienst an. Und jeweils montags treffen in diesem himmlischen Durchgangslager auch die Verstorbenen ein, die in Einzelgesprächen darüber unterrichtet werden, dass sie bis Mittwoch einen Moment aus ihrem Leben auswählen sollen. Dieser Augenblick verbleibt ihnen dann als einzige Erinnerung für die Ewigkeit.

In der Anfangsszene ahmt eine wacklige Handkamera Dokumentarfilm-Ästhetik nach, bevor After Life tatsächlich dokumentarisches mit fiktionalem Material vermischt. Über 500 Menschen hat Koreeda zu ihren Lieblingserinnerungen befragt und einige dieser Interviews in seinen Film einfließen lassen. Unterschiede zwischen au-thentischen und fiktionalen Aussagen sind allenfalls zu erahnen, gemeinsam ist ihnen ein leichter Hang zum poetischen Edel-Kitsch: Als Augenblicke für die Ewigkeit werden das Erlebnis eines Cessna-Fluges durchs Wolkenmeer oder das Gefühl eines sommerlichen Lufthauchs im Nacken genannt – da scheint der Weg nicht mehr weit zur „American Beauty“ einer vom Wind aufgewirbelten Plastiktüte.

Besonders charmant ist jedoch, dass After Life eben diese Affinität zum sentimentalen Kino-Moment freimütig einräumt. Am Ende des himmlischen Wochenplans steht nämlich die Verfilmung der ausgewählten Erinnerungen an. Und die dabei anfallende Kulissenschieberei reflektiert sehr treffend, wie „film-tauglich“ unser Gedächtnis strukturiert ist, wie sehr unsere Erinnerungen aber möglicherweise auch der filmischen Form nachempfunden, selbst Abklatsch sentimentaler Kino-Momente sind.

Die Filme des „Focus Asia“: After Life: Do., 17.8. 18.30 Uhr; Shiri: Sa., 19.8., 16.15 Uhr; Tell Me Something: Sa., 19.8., 18.30 Uhr; Whispering Corridors: Sa., 19.8., 23 Uhr; Nang-Nak: So., 20.8., 12 Uhr; A Living Hell: So, 20.8., 16.15 Uhr; Alice: So., 20.8. 20.45 Uhr; Gamera 3: Revenge of Iris: Di., 22.8., 23 Uhr, alle Cinemaxx; weitere Filme des Fantasy Filmfests siehe Programm