Zweierlei Globalisierung

Ein postkolonialer Film: Morgen startet Der Andere von Youssef Chahine im Metropolis  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Gleich zu Beginn des Films wird deutlich gemacht, welches Projekt er verfolgen wird. Adam und sein Freund hetzen zu einem Treffen mit Edward Said an der Columbia University. Und sie fragen den Autor von Orientalismus und Kultur und Imperialismus, da er sowohl Palästinenser als auch US-Amerikaner sei, welcher Nation er sich denn zugehörig fühle. „Wir müssen aufhören, so zu denken. Solange wir vom Anderen nur als Anderen denken, werden wir fortfahren, einander zu zerreißen“, antwortet daraufhin der Literaturwissenschaftler. Es ist das Projekt der Postcolonial Studies, das Youssef Chahine, Regisseur von Der Auswanderer und Das Schicksal hier mit Der Andere ins Bild zu setzen sucht.

Adam, der in den USA an einer Dissertation zum Thema „religöser Fanatismus“ arbeitet, reist bald darauf nach Kairo, zu einem Ferienaufenthalt bei seinen Eltern. Schon bei seiner Ankunft am Flughafen verguckt er sich in die Journalistin Hanan, und eine rührende Liebesgeschichte beginnt, vorgeführt als eine Mischung aus Musical, Comic und Parabel. Hanan, die aus eher ärmlichen Verhältnissen kommt, ist einem Deal auf den Fersen, an dem die Eltern Adams, ein steinreiches ägyptisch-amerikanisches Paar, erheblichen Anteil haben. Dabei handelt es sich um ein Bauprojekt auf dem Sinai, ein Hotel im Stile eines Tempels der drei großen Weltreligionen. Doch es soll nie gebaut, stattdessen Spenden- und Steuergelder abgezockt werden. Und so stellt sich das Frieden verheißende Projekt wenig später als Ausverkauf eines Stücks Ägypten an die Märkte der Globalisierung, namentlich amerikanische Geschäftemacher heraus.

Adams Mutter Margaret, herausragend gespielt von einer der älteren Liz Taylor in nichts nachstehenden Nabila Ebeid, möchte die klassenübergreifende Liebe und die Aufdeckung ihrer Machenschaften gerne vereiteln. Zu diesem Zweck geht sie ein Bündnis mit Hanans Bruder Fathi ein, einem militanten Islamisten. Er soll die Geliebte ihres Sohns kidnappen und mit einem seiner Kombattanten verheiraten.

Der Onkel Adams, Dr. Maher, der als Architekt den fraglichen Bau entworfen hat, hält, nachdem er den Betrug durchschaut hat, seinem Bruder Khalil eine flammende Rede über die Vergeudung kreativer einheimischer Potentiale und den Schaden, den die kleinen Leute Ägyptens von einer solchermaßen betriebenen ökonomischen Globalisierung davontragen. Das kommt wie vieles andere in diesem Film etwas pathetisch daher. Aber es trifft sehr genau ein Dilemma, mit dem periphere Nationen sich nicht erst herumschlagen, seit ihr Verhältnis zu denen des Zentrums postkolonial genannt wird: In einer in Nationen unterteilten Welt lässt sich der Ausbeutung der einen durch die anderen Nationen kaum anders als durch Abschottung des eigenen nationalen Markts begegnen. Allerdings wurde schon viel gestritten darüber, ob zunächst einmal klassenübergreifend geliebt werden muss, bevor auch die einheimischen Ausbeuter ihr Fett abkriegen.

Der Globalisierung möchte Chahine dennoch etwas abgewinnen, auch wenn sein Film den Begriff als einen Euphemismus darstellt. „Das Problem liegt im Verständnis von Globalisierung. Wenn sie rein wirtschaftlich verstanden wird, ist das falsch. Viele andere Dinge zählen auch, zum Beispiel die Kultur ...“, äußerte er sich in einem Interview. Und wenigstens an diesem, dem ureigensten Postcolonial Studies-Punkt führt Der Andere zu einer Demontage von Grenzen: Kulturen, von denen viele eine grundlegende Unterschiedlichkeit behaupten, vermischt er auf allen ihm zur Verfügung stehenden Ebenen beinahe bis zu ihrer Unkenntlichkeit. Und ganz nebenbei thematisiert der Film, dass die Konstruktion unterschiedlicher Kulturen ihr hierarchisches Verhältnis einschließt: Die amerikanische Barbie-Puppe, die Adam dem Willen seiner Mutter nach heiraten soll, langweilt sich auf einer Party der Kairoer Upperclass eine Weile bei ägyptischem Pop, bis sie allein durch einen schnippischen Zuruf bewirkt, dass die Band Techno spielt. Wenn man so will, klingt der trotzdem arabesk, und das ist gut so.

morgen, 19.15 Uhr; Sa., 19.8., 21.15 Uhr; So., 20.8., 19 Uhr; Mo., 21.8., 17 Uhr; Di., 22.8., 21.15; Do., 24.8., 17 Uhr; Fr., 25.8., 19 Uhr; Sa., 26.8., 21.15 Uhr; So., 27.8., 17 Uhr; Mo., 28.8., 19 Uhr; Di., 29.8., 21.15 Uhr, Metropolis