Auch SPD-Ministerin für Abi nach zwölf Schuljahren

■ Kultusministerin Jürgens-Pieper ist nur über den Stil von Gabriel verärgert

Hannover (dpa/taz) – Mit seinem jüngsten Vorpreschen in der Bildungspolitik hat Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel die Kultusministerin Renate Jürgens-Pieper (beide SPD) verärgert und dies hat sie ihm telefonisch mitgeteilt. „Der Ministerpräsident hat mir versichert, dass dieses nicht mehr vorkommt.“

In einem am Dienstag bekannt gewordenen Papier schlägt Gabriel eine grundlegende Reform des Bildungssystems in Niedersachsen vor. Diese beinhaltet das Abschaffen der Orientierungsstufe, das Zusammenlegen von Haupt- und Realschulen und das Verkürzen der Zeit bis zum Abitur auf zwölf Schuljahre als Regelfall.

Inhaltlich habe sie mit dem Regierungschef keine Probleme, betonte die Kultusministerin. Bei der Vorbereitung der Regierungserklärung von Gabriel hatte sie zusammen mit dem Ministerpräsidenten, der selbst von Beruf Lehrer ist, diese politischen Ziele entwickelt, Gabriel hatte diese Passagen damals aber nicht offiziell als sein Regierungsprogramm verkünden wollen. Auch jetzt betonte er, es handele sich nur um Vorschläge, die in die Beratung einfließen sollten.

Der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhard Fasold, erklärte, die Anregungen des Minis-terpräsidenten seien überraschend und stimmten „nur bedingt“ mit den bisherigen Überlegungen des schulpolitischen Arbeitskreises überein.

Der Bremer FDP-Vorsitzende Claus Jäger findet es dagegen „erfreulich“, wenn es auch „lange gedauert“ habe, dass der sozialdemokratische Ministerpräsident auf zwei liberale Kernforderungen in der Politik eingegangen ist. Jäger forderte Bremens Bürgermeister Henning Scherf, der als Bildungssenator der Ampel-Koalition solche Veränderungen abgelehnt hatte, und den derzeitigen Bildungssenator Willi Lemke (SPD) auf, sich der Position von Gabriel anzuschließen. Die bildungspolitische Sprecherin der Bremer SPD, Ulrike Hövelmann, begrüßte die „konstruktiven und diskussionswürdigen Überlegungen“ des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Man müsse bei der Diskussion berücksichtigen, dass die Bremer Orientierungs-stufe anders eingebunden sei als die niedersächsische, betonte Hövelmann. Beim Abitur nach zwölf Schuljahren solle es in Bremen „möglichst viele unterschiedliche Modelle“ geben, um unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Den Vorschlag Gabriels, die Sekundarstufe I als „Ganztagsschule“ zu organisieren, unterstützt Hövelmann, man solle das Modell Ganztagsschule auch den Gymnasiasten anbieten. K.W.