Zu schlecht in Religion

Eine Schülerin des Jüdischen Gymnasiums darf trotz guten Notendurchschnitts nicht in die Oberstufe. Ihre Einstellung zu den jüdischen Fächern sei dafür nicht geeignet, argumentiert der Schulleiter

von PHILIPP GESSLER

Es ist keine normale Schule: Noch vor wenigen Wochen konnte die Jüdische Oberschule in der Großen Hamburger Straße in Mitte mit viel Medienresonanz und dem Besuch von Spitzenpolitikern das erste Abitur seit der Nazizeit feiern – schon steht sie wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wenn auch nun in einem schlechten Licht. Es geht um die 16-jährige Schülerin Alexandra Gorban. Sie hat erfolgreich die 10. Klasse bestanden und darf nun auf eine gymnasiale Oberstufe. Aber nicht auf die ihrer bisherigen Schule.

Vor einem Monat erhielt Alexandras Familie einen Brief des Direktors der Schule, Uwe Mull. Der begründete ihre Nichtzulassung so: „Nach Rücksprache mit der Lehrerin für Jüdische Religionslehre, der Fachbereichsleiterin Judaistik und dem Schuldezernenten erscheinen ihr Verhalten und ihre Einstellung zu den besonderen jüdischen Fächern an unserer Schule nicht geeignet, weiterhin die Jüdische Oberschule zu besuchen.“

Zumindest Alexandras Noten rechtfertigen dies keinesfalls. Die Schülerin hat nach Angaben ihres Vaters in Religion und Hebräisch eine vier – „ausreichend“. Zudem seien dies nur Wahlpflichtfächer.

Laut Alexandras Vater hat seine Tochter einen Notendurchschnitt von 2,33. Doch die Lehrerin und seine Tochter verstünden sich nicht. Die Pädagogin wolle nur ihre Macht zeigen und könne nicht akzeptieren, dass Alexandra ein „Leader“ in der Klasse sei. Vater Gorban wirft der Lehrerin vor, sie habe es erreicht, dass in zwei Jahren schon fünf Schüler von der Schule geflogen seien. Er verweist zudem darauf, dass Alexandras Mitschüler sich in einem Brief an die Jüdische Gemeinde, die Trägerin der Schule, für ihren Verbleib an der Oberschule ausgesprochen habe: Ihre Leistung in den Fächern sei durchschnittlich.

Die Sache gewinnt dadurch besondere Brisanz, dass Gorban einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat. Zudem hat der Vater einen Brief an den israelischen Oberrabbiner Meir Lau geschrieben, der sich bereits bei der Jüdischen Gemeinde für die Schülerin verwendet hat. Der bekannte Knesset-Abgeordnete Yahir Peres, Vorsitzender des Religionausschusses, hat ebenfalls auf Bitten Gorbans Druck gemacht. Jetzt hat der Vater sogar den US-Filmregisseur Stephen Spielberg einzuschalten versucht, der Gorbans Mutter als KZ-Überlebende für sein „Shoah“-Projekt interviewen ließ.

Der Schuldezernent und Vizechef der Gemeinde, Moische Waks, verteidigt dagegen den Entschluss der Schule. Es gehe hier um eine pädagogische Entscheidung. Schließlich seien Jüdische Religionslehre und Judaistik „Profilfächer“ der Oberschule. Wenn die Schülerin an diesen Fächern so wenig Interesse habe, müsse sie sich fragen lassen, warum sie gerade an dieser Schule bleiben wolle.