Wenger bewacht das Wetter

Kommendes Wochenende startet die englische Premier League in die neue Saison – mit drei Deutschen, zwei Supermodels und der bangen Frage, ob man noch reich genug ist

LONDON taz ■ Die berühmtesten Neuen, die diesen Sommer von Klubs der Premier League nach England gelockt wurden, sind zwei Frauen. Supermodel Linda Evangelista und ihre Kollegin Adriana Sklenarikova. Sklenarikova folgte ihrem Mann, dem französischen Mittelfeldspieler Christian Karembeu, von Real Madrid zum FC Middlesbrough. Evangelista begleitete ihren Lebensgefährten Fabien Barthez, den französischen Weltmeister und neuen Torhüter von Manchester United. Deren Coach Alex Ferguson versteht es immer noch nicht: „Von Monaco nach Manchester – mit so einer Freundin!“

Dass die Lebenspartnerinnen bekannter als die Fußballer sind, scheint charakteristisch für die Premier League, deren Saison an diesem Samstag beginnt: Frustriert registrieren die englischen Vereine, dass Spieler wie der Portugiese Luís Figo für sie nicht mehr erschwinglich sind. 110 Millionen Mark, wie sie Real Madrid für Figo zahlte oder selbst 69 Millionen, die AS Rom für Batistuta entrichtete? „Die Klasseleute, die uns weiterbringen würden, sind für einen Klub mit unserer Gehaltsstruktur außer Reichweite“, sagt Ferguson. Ausgerechnet die neureiche Premier League, die bislang die Weltmarktpreise nach oben trieb, wurde vom Wucher dieses Sommers unvorbereitet getroffen. Seit 1996 etablierten sich die Engländer mit massiven Investitionen neben Spaniens Primera División und Italiens Serie A als führende Kraft und wiesen der konservativ wirtschaftenden Bundesliga im internationalen Transfergeschäft eine Außenseiterrolle zu. Newcastle war der erste Klub, der für einen Fußballer, Stürmer Alan Shearer, mehr als 35 Millionen Mark zahlte, ManU 1998 der erste Verein, der für einen Abwehrspieler, Jaap Stam, 33 Millionen ausgab – doch während sich die Preise in Italien, Spanien und auch Frankreich seitdem praktisch verdoppelten, wurde die Premier League nun von der Entwicklung, die sie auslöste, überholt.

Unter den 20 teuersten Transfers des Sommers finden sich nur zwei mit englischen Käufern: Der Holländer Jimmy Hasselbaink kam für 46 Millionen Mark von Athlético Madrid zum FC Chelsea und Tottenham Hotspur zahlte für Sergei Rebrow 34 Millionen an Dynamo Kiew. Zum ersten Mal seit Jahren gingen mehr namhafte Spieler als kamen: etwa Marc Overmars und Emmanuel Petit von Arsenal London zu Barcelona, Didier Deschamps von Chelsea zu Valencia. „Es war ein bewölkter, verregneter Sommer“, sagt Arsène Wenger, Trainer des letztjährigen Uefa-Cup-Finalisten Arsenal, ohne das Wetter zu meinen.

Trotzdem: Manchester United ist mit 277 Millionen Mark Jahresumsatz immer noch der umsatzstärkste Verein der Welt, und wenn dieser Klub nicht in der Lage ist, die besten Spieler der Welt zu zahlen, zeigt das vor allem eines: vermeintliche Marktführer wie Real Madrid handeln mit Geld, das sie nicht haben. „Wir werden uns keinen Wettlauf mit Vereinen liefern, die sich in den Taschen von privaten Investoren bedienen“, sagt Uniteds Vorstandvorsitzender Peter Kenyon. Schließlich türmte auch Newcastle in kürzester Zeit 100 Millionen Mark Schulden auf. Nun handeln weniger Vereine exzessiv mit Krediten .

Was vernünftig sein mag, wofür sich die Trainer jedoch nichts kaufen können, schon gar keine Superstars. „Es muss ein Gremium geschaffen werden, das die Transfers überwacht“, fordert Arsenal-Trainer Wenger und denkt an Real Madrid: „Ich bin es leid, dass Klubs mit immensen Schulden auch noch die besten Spieler kaufen.“

Aber es ist fraglich, ob der Fußball schlechter wird als vergangene Saison, nur weil einige Qualitätsspieler verschwunden sind. Manchester United hat bis auf den Torwart noch immer die Elf, die vor 15 Monaten die Champions League gewann – und in FC Liverpool und FC Chelsea verstärkte Herausforderer. Liverpool verpflichtete nach Dietmar Hamann mit Markus Babbel einen weiteren deutschen Nationalspieler , zudem soll Kollege Christian Ziege in den nächsten Tagen folgen.

Wie überall bleibt auch in England trotz der wenigen ganz prominenten Zugänge die spannendste Frage zum Saisonauftakt, wie sich die Neuen einleben. Vor allem Linda Evangelista und Adriana Sklenarikova. Wird das slowakische Wonderbra-Model schnell heimisch in Middlesbrough, dessen Skyline mit den paffenden Chemiewerken dem Regisseur Ridley Scott als Kulisse für ein Alptraum-Szenario im Film „Blade Runner“ diente?

RONALD RENG