Aktenvernichtung hat jetzt Namen

Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt in der Aktenvernichtung gegen den früheren Leiter der Zentralabteilung im Kanzleramt, Hans-Achim Roll, und einen Informationstechniker. CDUler Roll scheiterte bei Kommunalwahl in Lübeck

von SEVERIN WEILAND

In der Affäre um die Aktenvernichtungen und Dateilöschungen im Bundeskanzleramt hat die Staatsanwaltschaft in Bonn nunmehr zwei Personen, gegen die sie namentlich ermitteln kann: Hans-Achim Roll und einen Informationstechniker .

Einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung bestätigte gestern Oberstaatsanwalt Bernd König gegenüber der taz. Ermittelt werde wegen möglichen Verwahrungssbruchs und Datenveränderung. Nachdem die Anzeige des Kanzleramtes von Ende Januar zunächst gegen unbekannt gelautet hatte, sind nach Angaben Königs in den vergangenen drei Wochen die Namen der beiden Betroffenen vom Kanzleramt „nachgereicht“ worden. Grundlage hierfür sei offenbar der Bericht des Sonderbeauftragten Burkhard Hirsch gewesen.

Der FDP-Politiker hatte im Auftrag des jetzigen Bundeskanzleramtes einen umfangreichen Report zusammengestellt. Unter den 79 Zeugen, die im Kanzleramt vernommen worden waren, war Roll einer derjenigen gewesen, der die Vernichtungsaktion zugegeben und auch einen Teil der Verantwortung übernommen hatte. Vor der Übergabe an Gerhard Schröder waren im Kanzleramt unter anderem Dateien in der Größe von drei Gygabyte gelöscht worden – eine Menge, die einer Million Blatt Papier entsprechen soll.

Roll, der unter Helmut Kohl zum Leiter der Zentralabteilung im Kanzleramt gemacht worden war, hatte gegenüber Hirsch eine strafrechtliche Verantwortung bestritten. Die von ihm vorgenommene Vernichtung sei mit der Beseitigung persönlicher Notizen zu vergleichen. Zudem habe er sich „in der Frage, welche Löschungen nach der gemeinsamen Geschäftsordnung zulässig sind, mit niemandem beraten“.

Dem Informationstechniker des Kanzleramtes wird vorgehalten, das Löschverzeichnis vernichtet zu haben, sodass Löschvorgänge auf den Computern nicht mehr nachzuvollziehen waren.

Exkanzler Kohl hatte mehrmals erklärt, keine Anordnung zur Vernichtung von Akten gegeben zu haben. Roll selbst gilt als dessen langjähriger Vertrauter. Er war Büroleiter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bis er 1992 ins Kanzleramt wechselte. Dort blieb er bis zur Wahlniederlage 1998 zuständiger Leiter für die Zentralabteilung, die insgesamt neun Referate umfasste.

Nach der Räumung des Kanzleramtes versuchte sich Roll in der Kommunalpolitik. In Lübeck, wo er aufwuchs, wurde er als CDU-Kandidat für das Bürgermeisteramt nominiert. Doch am 19. Dezember 1999 verlor er die Stichwahl – mit 42 Prozent gegenüber 57 Prozent seines SPD-Konkurrenten Bernd Saxe.