über das draußenschmausen von WIGLAF DROSTE
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Es ist so heiß, so furchtbar heiß, ein Kleinkind quäkt: „Kann ich ein Eis?“ Das ist der Sommer. Er treibt die Menschheit vor die Tür. Auf dass ihr Schweiß sich in Gesellschaft verströme und schwäre gar unfrisch und säuerlich. Die rot und grün wählenden, sich für diese Dummheit aber keineswegs grün und blau hauenden Bewohner des Berliner Bezirks Kreuzberg suchen zu diesem Zweck ein am Kanal gelegenes Gartenlokal auf. Hierhin führen sie nicht nur ihre schlechten Manieren aus, sondern auch ihre gleich ihnen gestörten Kinder, deren eigentlicher Erziehungsberechtigter längst der Fernsehapparat ist – was wiederum diese Muttis und Vatis nie zugäben, o nein, sie nicht.

Früh lernen die Kleinen, wie man sich in fiese Verhältnisse findet und fügt. Die Gäste sind der Nacktheit näher als dem Bekleidetsein, und die Kellner rächen sich dafür durch einen Service, der in seiner eigenen Verneinung besteht. Bestecke werden im Vorbeigehen auf die Tische geknallt; dazu gibt es einen Wein vom Fass, der sicherlich sehr gut gegen Flecken auf der Fahrradfelge hülfe. Sawischsch!, britzelt das Getränk, wenn es auf den Tisch perlt und Bläschen wirft, während es sich ins Holz hineinfrisst.

Zur Vermeidung dieser Sorte alternativer Kleinbürgerhochzeits-Aufführungen schwingt man sich zu einem sommerlichen Picknick im Freien auf. Decke, Badezeug und einen Korb mit Leckereien aufs Rad gepackt, und munter geht es hinaus ins Grüne. Schön in Ruhe möchte man irgendwo lauschig und verschwiegen herumliegen, nichts als Gezwitscher hören, sich von der Süßen küssen lassen, klatschkalten Champagner in sich hineingluckern lassen, liebevoll gemachte Hühnchensandwiches verputzen und herumdösen.

Da aber kommt Freund Mitmensch angeschissen und vereitelt das arglose Unterfangen. Indem er einfach nur da ist, der Mitmensch. Überall. Kaum hat er eine liegetaugliche Wiese oder ein zum Baden einladendes Seeufer entdeckt, feuert er die Kleidung von sich. Nicht wenige gönnen ihrer Mitwelt The Full Monty und ziehen radikal blank. Ein fremdes Skrotum aber ist nicht ganz das, was man in Gottes Garten zu erblicken hoffte. Seltsam, dass vielen nicht einmal das Nötigste bekannt ist: Hodensack und Analfalte als solche sind kein Wert an sich. Die privaten Regionen des Körpers sind für die privaten Momente des Lebens gedacht; in der Öffentlichkeit aufgetischt, wirkt auch eine eigentlich hübsche Schamlippe nur entsetzlich aufdringlich. Man nimmt reißaus – aber wohin?

Zur nächsten Lichtung? Dort sind bereits die Grillmonster am rohen Werke. Kross verbrannte Fleischbrocken ziehen fädenähnliche Schwaden, die sich klebrig auf Haut und Borke legen. Denn noch lieber als alles andere mögen die Menschen im Sommer eines: die Welt zu Tode brutzeln. In der sommer- und grillspezifischen Mischung aus Trägheit, brütendem Widerwillen, mit schlechtem Alkohol erzeugter Euphorie und Kurzbehostheit steht der Grillteufel an der Waffe, die mobil eingesetzt wird: auf dem Balkon, im Garten oder im Park. Und wir müssen das riechen.