Kohl wird redselig

Nach einem Telefonat mit der CDU-Chefin Angela Merkel will Helmut Kohl nun doch auf einer Parteiveranstaltung zur deutschen Einheit sprechen

BERLIN taz ■ Nun kommt der Kohl doch. Am Montag hatte der Exkanzler eine Einladung zur Einheitsfeier der CDU ausgeschlagen – nur Stunden nach ihrer Verkündung durch Generalsekretär Ruprecht Polenz.

Nach der Blamage für die neue CDU-Führung wusste in der Parteizentrale zwei Tage lang keiner zu sagen, ob die Feier ohne Gast überhaupt stattfinden wird. Gestern kam die Kehrtwende: Es wird gefeiert und entgegen seiner schriftlichen Erklärung wird Kohl eine Rede halten.

Am 1. Oktober, 48 Stunden vor dem Tag der Deutschen Einheit, wird die Partei auf einer Veranstaltung an den Vereinigungsparteitag von West- und Ost-CDU im Jahr 1990 erinnern. Einzige Rednerin neben Kohl wird Merkel sein. Die Erleichterung der CDU-Zentrale über soviel Einvernehmen ist dem knappen Pressestatement deutlich anzumerken. „In einem persönlichen Gespräch“ hätten Merkel und Kohl „gemeinsam den Vorschlag entwickelt und verabredet“, heißt es.

Und auch das nächste Treffen zwischen Kohl und der neuen Unionsspitze ist bereits vereinbart. Kommende Woche wird Friedrich Merz, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, den Ex-kanzler treffen. Dies verlautete aus Unionskreisen. Dabei gehe es „um die Frage, ob Kohl bei der Bundestagsdebatte zur Deutschen Einheit reden will“. Am Montag hatte Kohl noch erklärt, außer an einer Veranstaltung der Adenauer-Stiftung Ende September wolle er „an keiner weiteren öffentlichen Versammlung zum zehnten Jahrestag der Deutschen Einheit mitwirken“.

Hat Merkel den Exkanzler überzeugt? Oder hat ihren Vorvorgänger doch die Sentimentalität gepackt bei der Vorstellung, dass seine Verdienste ohne eigene Beteiligung womöglich nur unzulänglich gewürdigt werden könnten? Klar ist jedenfalls, dass der genaue Ablauf der Einigung zwischen Kohl und Merkel einiges über die Macht oder Ohnmacht der neuen Vorsitzenden verraten kann. Ist es Merkel gelungen, Kohl zum Einlenken zu bewegen, dann steht sie gestärkt an der Spitze der CDU. War Kohl der Drahtzieher, dann hätte er wie schon bei seiner Absage am Montag Merkel erneut vorgeführt. Bei der CDU weiß man um die Brisanz dieser Fragen – und ist darum fest entschlossen, alle Details unter Verschluss zu halten, die Aufschluss über das neue Verhältnis von Merkel und Kohl geben könnten. „Die beiden haben heute miteinander telefoniert“, ist alles, was ein Sprecher preisgibt. Über weitere Einzelheiten müsse erst das CDU-Präsidium informiert werden.

PATRIK SCHWARZ