Endlich mal witzig sein

■ Jekyll/Hyde geht, Jekyll/Hyde kommt: Warum Ethan Freeman das Bremer Musical verlässt und mit Nachfolger Steve Barton erneut ein Musicalstar mit Weltniveau nach Bremen kommt

Ob der neue Hauptdarsteller Steve Barton nun schafft, was selbst ein Ethan Freeman nicht erreicht hat? Nämlich so viel Publikum ins gebeutelte Musical „Jekyll & Hyde“ zu locken, wie die Planer in Wirtschaftsbehörde und Hanseatischer Veranstaltungsgesellschaft (HVG) vor der Premiere im Februar 1999 kalkuliert haben? Immerhin 70 Prozent sollte die Auslastung nach HVG-Berechnungen in diesem Jahr betragen. Doch tatsächlich liegt sie so weit darunter, dass die Wirtschaftsförderungsausschüsse demnächst über einen als Darlehen deklarierten Extra-Zuschuss von acht Millionen Mark entscheiden müssen. Nach Angaben des Musical-Generalbevollmächtigten René Meyer-Brede soll diese entscheidende Sitzung am 30. August stattfinden. Da passt ein Cast-Wechsel durchaus in den Terminkalender, denn Barton ist unter Musical-Fans alles andere als ein Unbekannter. Zahlreiche Hauptrollen zuletzt in Wien begründen seinen Ruhm.

Deshalb könnte es schon sein, dass eine neue Hauptfigur noch mal eine positive Wende schafft, sicher aber nicht grundsätzliche Probleme löst. Aber Meyer-Brede ist natürlich zuversichtlich: „40.000 verkaufte Karten über die ,Rote Ratten'-Aktion zeigen uns ganz klar: Die Show ist in Bremen gewollt“, sagte er gestern bei einer Pressekonferenz. Vom 31. August bis zum 3. September gibt es aus Anlass der „Sail“ im Theater im Fischereihafen in Bremerhaven werbeträchtige Aufführungen, und Leute, die wegen der Leistung von Ethan Freeman „Tränen der Begeisterung“ (Meyer-Brede) vergießen, können ein Abendessen gewinnen mit dem attraktiven Darsteller. Toll, wirklich.

Freeman und Barton präsentierten sich gestern als die besten Freunde. Warum Freeman geht? „Zwei Jahre solcher Anstrengung sind genug. Man muss aufhören, wenn es noch frisch ist. Die Stimme muss einfach wieder zur Ruhe kommen.“

Er spielt erst einmal ein vergessenes Musical von Kurt Weill – konzertant in London und, sagt Freeman, „endlich mal witzig“. In welcher Person er sich lieber eingerichtet hat, in Jekyll oder in Hyde, wollte einer der Journalisten wissen. „Na ja, Jekyll bin natürlich ich. Aber ich habe den Hyde in mir, den ich auslöschen muss. Für Schauspieler sind natürlich die Hydes spannender. Sich mal austoben, das wünschen sich ja viele.“

Auch sein Nachfolger Barton findet, „das Böse macht einfach mehr Spaß“. Der 45-jährige ehemalige Tänzer ist wie Freeman „ein Weltstar der Musicals. Und das ist in Bremen überhaupt nicht richtig begriffen worden“, sagt Meyer-Brede. Intelligent plaudert der Amerikaner über seine Rolle und seine Vorfreude auf seine neue Wahlheimat Bremen, die er jetzt schon für „eine ganz tolle Stadt“ hält. „Jekyll & Hyde“ ist schon seit zehn Jahren seine Traumrolle. Wie geht er daran? „Freeman hat seine Figur geschaffen, und ich werde eine andere kreieren“, sagt er in akzentfreiem Deutsch, „wichtig ist, man muss eine Geschichte erzählen, und man muss wissen, warum man sie erzählt“. Freeman bewundert er, weil es dem gelungen sei, die Rolle mit ihren Facetten auszuspielen: „Da ist Hamlet, Richard III und Lohengrin drin. Wahnsinn, wie er das macht“.

Freeman bedankt sich noch einmal beim Bremer Publikum: „Man muss hier eine hohe Qualität bieten, aber die wird auch belohnt.“ Auch in schlecht besuchten Vorstellungen – was seit April häufiger vorgekommen ist – hätten die Wenigen so applaudiert, als wären die über 1.500 Plätze des Theaters voll besetzt. Man konnte nicht den Eindruck gewinnen, dass er wegen der gesunkenen Zuschauerzahlen geht. Eine solche Rolle nach zwei Jahren abzugeben, ist normal. „Der Schnitt am Broadway ist eineinhalb Jahre“, weiß er.

Nach dem Reden boten beide die große Auseinandersetzung zwischen Jekyll und Hyde – Freeman perfekt, Barton mit wuchernder Intensität, die Gutes verspricht. Also: Derniere von Freeman am 29. September und Premiere von Barton am 30. September.

Ute Schalz-Laurenze