Die Elite raucht Selbstgedrehte

Stellenmärkte sind wachsende Stellenmärkte, zumindest im Internet. Bei der Online-Stellenbörse Job-Today arbeiten unter anderem Theologinnen und Hotelfachkräfte

Am Spreeufer in Berlin-Moabit, unweit der Gotzkowskybrücke, gibt es keine Parkplätze. Schuld daran ist nicht nur der Amtssitz von Innenminister Otto Schily, sondern die massive Ansiedlung diverser IT-Firmen, darunter auch die gerade umbenannte Jobbörse Job-Today AG. Die alten Schilder, DV-Job AG, hängen noch an der Tür. Frisch geduschte, nass gegelte, durchgestylte Mitarbeiter in den klimatisierten Räumen ihres Bürogebäudes aus Glas und Stahl, so will es zumindest das Klischee. Hinter der Web-Adresse www.Job-Today.com verbirgt sich indes ein schöner Berliner Altbau.

Die Mitarbeiter haben sich mit Sicherheit gewaschen, wirken aber ansonsten wie ganz normale Menschen. Peter Nietzold zum Beispiel, zuständig unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit, war mal Mathematiklehrer. In einer Branche, in der momentan der Grundschulabschluss als Qualifikation vollkommen ausreichend zu sein scheint, wirkt er in seinen mittleren Jahren zunächst fehl am Platz. Und dann sucht er als Angestellter eines riesigen Internet-Stellenmarktes auch noch händeringend nach einem Ausbildungsplatz für seinen Sohn.

Auch hier wird eben nur mit Wasser gekocht, die daraus entstandene Erfolgsgeschichte kann sich allerdings durchaus sehen lassen: 1996 startete DV-Job.de als deutscher Internetstellenmarkt für Fach- und Führungskräfte in der Informationstechnik. Damals waren eigentlich nur Computerfreaks im Netz unterwegs, entsprechend war das Jobangebot der Hinterhoffirma gestaltet. Noch immer haben 80 Prozent der vermittelten Jobs etwas mit Informationstechnologie zu tun, aber das Angebot wurde weiterentwickelt. Viele Personalchefs suchen online in erster Linie hoch qualifizierte Fachkräfte, mittlerweile wird die Stellenausschreibung für RaumpflegerInnen aber gleich mit ins Netz gestellt. Kommt billiger als eine Zeitungsanzeige. Jeden Monat gibt’s rund 8.000 Stellen bei Job-Today, im letzten Halbjahr wurden 17 Millionen Seitenabrufe registriert.

Die Mehrzahl der Jobsuchenden gibt sich trotz Flexibilitätspropaganda immer noch heimatverbunden, Job-Today hat deshalb regionale Stellenmärkte eingerichtet, die für alle Branchen offen sind: Dem Pilotprojekt www.Berlin-Job.de folgten sieben weitere Regionalbörsen, darunter www.Bayern-Job.de und www.Schwaben-Job.de. Hinzu kamen nach und nach Börsen in Österreich und Spanien sowie eine Niederlassung in der Schweiz.

Der Rest wird von Berlin aus gesteuert. Und dort herrscht die notorische Aufbruchstimmung der Internetbranche: Mit über 100 Mitarbeitern hat sich die Zahl der Angestellten im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Jeden Montag gibt es einen Rundgang mit den Neuen.

Mit zwei Jahren schon lange dabei ist Kerstin Marquardt. Bei der „Internet-Tante“ laufen die Fäden zusammen, denn sie ist für das Webdesign zuständig. Van-Nelle-Tabak rauchend konzeptioniert die gelernte Sozialpädagogin neue Produkte, berät Kunden und entscheidet über die redaktionellen Inhalte der Webpage. Ihr Know-how hat sie sich in einer einjährigen Qualifizierungsmaßnahme „Internetdesign“ des Arbeitsamtes erworben, ausgeschrieben im Anzeigenteil des Berliner Stadtmagazins Zitty. Nachdem sie die Webpage für einen Verein gegen sexuellen Missbrauch an Kindern entworfen hatte, las sie die Anzeige von DV-Job, im Netz.

Auch ansonsten wimmelt es von Quereinsteigern. Die Chefin des für die Anzeigen zuständigen A-Teams ist Geografin. In der Marketingabteilung gibt es Theologinnen und Hotelfachkräfte.

Manuel Putzien vom Vertrieb hat immerhin BWL studiert. Zuständig für Kundenberatung in Bayern ist dem Berliner der Freistaat akustisch zur zweiten Heimat geworden, Bayerisch-Kenntnisse waren allerdings keine Einstellungsvoraussetzung.

MARTIN REICHERT