Kiffen als Standortfaktor: Seit 30 Jahren wird in Berlin mit Cannabis gehandelt

Haschräuber und Gendarmen

Mit dem Satz „Früher, als die Ufa-Fabrik ihre taz-Anzeigen noch mit Haschisch bezahlte“ beginnt so manche Schnurre über die wilde Zeit von vor 21 Jahren. Damals gab es noch tausend Hasch- und Grassorten zu kaufen und Dealer wie den Verleger Werner Pieper, der 7 Jahre lang im Umland von „Highdelberg“ (so der Titel seines neuen heimatdrogenkundlichen Buches) seine Sachen unters Volk brachte. Lieber als dass er verkaufte, tauschte er den Stoff – gegen Küsse oder Gib-mir-was-du-magst-Geldbeträge.

Auf einen damit zusammenhängenden Aspekt der cannabischen Ökonomie hatte der Schriftsteller William S. Burroughs schon in den 60ern hingewiesen: „Kiffer sind nicht wie Junkies. Ein Junkie gibt einem das Geld, nimmt den Stoff und verschwindet. Bei Kiffern dagegen läuft so etwas nicht. Sie erwarten, dass man ihnen Feuer gibt und rumsitzt und eine halbe Stunde mit ihnen quatscht, nur um für zwei Dollar Gras an den Mann zu bringen.“

Die halbe Stunde ist eher etwas kurz gegriffen. Haschhändler sind die Tante-Emmas des Drogengeschäfts, mit Anschreiben, und wie ihre Kunden für gewöhnlich eher unreich: Migranten, Studenten, Schüler, taz-Autoren oder HipHopper, die es wie die Berliner Spezializtz gern mit Playstation-Vergnügungen verbinden, Schriftsteller, Künstler, Arbeitslose, auf Hasch umgestiegene Exalkoholiker, Krankenschwestern, SchauspielerInnen, BezirksbibliothekarInnen und so weiter.

Das scheint schon immer so gewesen zu sein. Als „Kraut der Armen“ war Hasch im Orient bekannt; in Berlin, der Hauptstadt des Haschischkonsums – mit dem „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen“ Ende der 60er-Jahre und dem HanfHaus Anfang der 90er – sagt man auch „Boule-“ oder „Tischtennisfit“ dazu. Das Gramm kostet meist so zwischen zehn und fünfundzwanzig Mark. Die Berliner Stadtzeitung tip erwähnt eine seltene Skunkhaschsorte („Ice-O-Lator Hash“) aus Holland, die zwischen 65 und 80 Mark das Gramm kosten soll. Das deutet darauf hin, dass der Kreis der reichen Kiffer, die auf Luxussorten stehen, eine relevante Größe im Berliner Haschhandel ist.

Seit knapp dreißig Jahren wird Hasch in größeren Mengen in Berlin gehandelt. In dieser Zeit vermehrten sich die Kiffer epidemisch. Während das „Bündnis Hanfparade“ mittlerweile von bis zu einer Million Berliner Kiffern ausgeht, spricht die Berliner Drogenbeauftragte Elfriede Koller von etwa 130.000 Haschern. Bundesweit geht man offiziell von ein bis zwei Millionen, inoffiziell von bis zu fünf Millionen Kiffern aus. Die einen haben mal gezogen, die anderen tun’s auch weiter. Das meiste Haschisch kommt wohl aus Marokko, das zwei Drittel der europäischen Nachfrage befriedigt: 400.000 Menschen machen dort zwei- bis dreitausend Tonnen gebrauchsfertig, berichtet die Neue Zürcher Zeitung.

Der oft beklagte Verlust an alternativem Flair hat Hasch andererseits wieder etwas realistischer gemacht – bei der Love Parade ist die Meistdroge Hasch. Auch muss von einer Haschvielfaltsverknappung gesprochen werden und dem schalen Triumph eher zweifelhafter Sorten. Von Skunk ist die Rede, einer fantasielosen Mischung aus Strohrum und Korn sozusagen. „Skunk ist nicht die Lösung“, betont der Verleger Werner Pieper. „Ich rauch das nicht. Wenn ich das rauchen würde, würde ich als Verleger nicht mehr funktionieren.“ Außerdem kommt Skunk aus der Genforschung, wie man hört.

So locker, wie es der Hanffreund gern hätte, geht’s in Sachen Hasch leider nicht zu: Während Kiffer eher selten belangt werden, werden in Gefängnissen die Existenzen freundlicher Haschdealer noch immer zerstört. Betroffen sind vor allem auch Asylsuchende mit Arbeitsverbot, was der Haschdiskriminierung einen rassistischen Touch gibt. In der Neuköllner Hasenheide kann man das idiotische Haschräuber-und-Gendarmspiel tagtäglich beobachten.

Heute ab 14 Uhr rennt die Hanfparade am Berliner Alexanderplatz los, um für die Legalisierung zu demonstrieren. Man hat auch eine Selbstbezichtigungskampagne ins Leben gerufen. DETLEF KUHLBRODT

Mehr Hasch unter: www.hanfhaus.de, www.hanflobby.de/hanfparade/ usw.