CDU: Dem Kanzler ist der Osten egal

Frisch aus Mallorca zurück, bricht Gerhard Schröder zu einer fast zweiwöchigen Sommertour durch den Osten Deutschlands auf. Die Opposition glaubt, dass er dort nur seinen Urlaub fortsetzen will und an den wirklichen Problemen vorbeifährt

von PATRIK SCHWARZ

Für einen Moment scheint es, als sei Helmut Kohl immer noch Bundeskanzler und Deutschland auf dem richtigen Weg. Soeben haben Helfer in der CDU-Parteizentrale eine elfseitige Dokumentation zur wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland verteilt. „Die CDU hat die Weichen für den Aufschwung Ost richtig gestellt“, heißt es im knappen Tonfall, wie ihn Regierende so lieben. „Die CDU-geführte Bundesregierung hat den Ausbau der Infrastruktur – insbesondere auch bei der Schiene – in geradezu beispielhafter Weise vorangetrieben.“ CDU-geführte Bundesregierung? Nach eineinhalb Seiten muss auch dem Verfasser der Broschüre wieder eingefallen sein, dass die glanzvollen Zeiten christdemokratischer Herrschaft vergangen sind. Fortan wird, in treuer Befolgung der Oppositionspflicht, auf Rot-Grün eingeschlagen.

Gerhard Schröder reist ab Montag auf Sommertour durch die neuen Bundesländer und die CDU hat sich vorgenommen, ihn vorher noch rasch zu kritisieren. „Aufbau Ost – Bilanz einer Chefsache“ ist ihre Pressekonferenz überschrieben. Gerade vom Urlaub in Mallorca zurückgekehrt, will Schröder 40 Stationen in zwei Wochen absolvieren, manche Termine als Bundeskanzler, andere als SPD-Vorsitzender.

CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz befindet, Schröder beabsichtige offenbar eher eine Fortsetzung seines Urlaubs als eine echte Informationsreise. „An den wirklichen Problemen in den neuen Bundesländern fährt der Bundeskanzler vorbei“, assistiert Günter Nooke, der Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten. Der Kanzler vertrete nicht die Interessen aller Deutschen, meint Polenz, „die Menschen im Osten tauchen auf Schröders Rechnung nicht auf“.

Die CDU kritisiert insbesondere, dass im Haushalt 2000 rund drei Milliarden Mark weniger für Strukturanpassungsmaßnahmen und die Wirtschaftsförderung zur Verfügung stünden. Für das nächste Jahr drohten Kürzungen in ähnlicher Höhe.

Für seine Reise hat Schröder „überwiegend Spaßtermine“ ausgewählt, findet Nooke. So setze er sich nicht damit auseinander, dass bis zu eine Million Wohnungen im Osten leer stünden. Schröders Besuch im ehemaligen KZ Mittelbau-Dora sei zwar zu begrüßen, jedoch hätte Schröder auch das Gespräch mit „Opfern der zweiten deutschen Diktatur“ suchen sollen, die in Bautzen inhaftiert waren.

Mit Blick auf die rechte Gewalt hatte Grünen-Chefin Künast vor kurzem gefordert, Schröder solle auch Jugendarbeiter, Opferberatungsstellen und Polizisten unterstützen, die Opfern und potenziellen Opfern helfen. Die Botschaft der Sommerreise des Kanzlers müsse sein: „Es lohnt sich, Zivilcourage zu zeigen.“ Bei seinem gestrigen Besuch zum 50-jährigen Jubiläum von EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt begrüßte Schröder die Entlassung von zwei Azubis wegen Neonazi-Aktivitäten: „Ein Beispiel für konsequentes Durchgreifen, das Schule machen sollte, nicht nur in Ostdeutschland.“