Computerlappen sind karrierewichtig

■ In Bremerhaven können Bewerbungskandidaten den europäischen Computer-Führerschein „EDCL“ noch relativ preiswert erstehen / In anderen Städten kostet der Lappen bis zu 7.000 Mark / Bei vielen Firmen ist er absolute Einstellungsvoraussetzung

Man kann mit ihm nicht fahren, es gibt für ihn keine Verkehrsregeln und trotzdem nennt er sich Führerschein, sogar europäischer Führerschein! Der Schein berechtigt nur zum surfen - auf der Datenautobahn. Seit gut einem Jahr kann man ihn in Deutschland erwerben: den Europäischen Computerführerschein, kurz EDCL. Wer diesen Schein sein eigen nennen kann, beweist, dass er wie mittlerweile 170.000 andere Menschen in Europa, über standardisiertes Wissen in Sachen Computer verfügt. Wissen, dass bei vielen Firmen inzwischen Einstellungsvoraussetzung ist. Und: Wissen, dass in Bremerhaven - im Vergleich - spottbillig angeboten wird.

Doch bevor es soweit ist, muss sich der Anwärter durch sieben Teilqualifikationen, so genannte Module mit verschiedenen Themen quälen. Nach jedem einzelnen folgt eine Prüfung, in der in maximal 45 Minuten Aufgaben online und unter Bewachung absolviert werden müssen. Bestandene Prüfungen werden in die sogenannte Skills-Card (zu Deutsch Fähigkeiten-Karte) eingetragen. Ist diese voll, folgt zehn Tage später der niegelnagelneue Führerschein für den Rechner. Der Inhaber beherrscht dann unter anderem Tabellenkalkulation und Textverarbeitung, Internetsuchen und weiß mit Dateien umzugehen. Außerdem kann er sein Wissen präsentieren und gerät bei Begriffen wie Betriebssysteme, Datenschutz und Informationsgesellschaft nicht in Erklärungsnot. In mehreren Firmen wie zum Beispiel bei Volvo oder Siemens ist der EDCL bereits ein zwingendes Einstellungskriterium. Der Europäische Computer-Führerschein ist aus einem EU-Projekt entstanden. „Das ganze hat europäischen Standard, der Führerschein ist ein anerkanntes Zertifikat“, heißt es aus dem Amt der Senatorin für Arbeit in Bremen. Damit wäre dieser Bereich der Bildung endlich europaweit reguliert. Bei anderen Einrichtungen, die ähnliche Kurse anbieten, sei man hingegen immer auf den Ruf der Einrichtung angewiesen. Seit gut einem Jahr kann man den Europäischen Führerschein in Deutschland machen - hier wird er getragen durch die Dienstleistungsgesellschaft für Informatik mbH (DLGI) mit Sitz in Bonn. Die vergibt auch die Lizenzen für Schulungs- und Prüfungszentren, gut 200 gibt es davon bereits in Deutschland.

Das hört sich alles wunderbar an, wäre da nicht der hohe Zeit- und Kostenaufwand. Mit bis zu 40 Stunden pro Modul und bis zu mehreren Tausend Mark alles in allem (Vorbereitungskurse plus Prüfungsgebühren), muss man normalerweise schon rechnen. Es sei denn, man begibt sich in das anerkannte Schulungszentrum der DAG in Bremerhaven. Hier dauern die meisten Kurse 20 Stunden und kosten jeweils 128 Mark. Nur für die Tabellenkalkulation und die Grafikprogramme muss man 192 Mark und 30 Stunden aufbringen. „Ich finde die allgemeinen Preise total überzogen. Ich habe sogar gehört, dass in Heidelberg alle sieben Kurse zusammen 7.000 Mark kosten sollen“, ist Bodo Walle, Leiter des Bremerhavener Prüfungszentrums empört. Bei 1.472 Mark Gesamtpreis bei der DAG ist das verständlich. Die DLGI sagt dazu nur, dass es jedem Schulungszentrum frei überlassen ist, welche Preise es erhebt.

Die Rechnung geht in Bremerhaven ganz einfach über die Teilnehmer auf, die sich die Fixkosten teilen müssen. Klar, hier dauert die Lehrzeit auch nicht so lange, was jedoch nicht unbedingt zur schlechteren Ausbildung führen muss. „Ich bin der Meinung, dass die Stunden reichen. Allerdings geht es da ganz schön zur Sache“ sagt Walle.Auch sei nicht jeder Kurs unbedingt zwingend, so der Leiter. In das Betriebssystem Windows oder das Internet könne man sich mit gewissen Vorkenntnissen auch gut im Alleingang hineinfuchsen. 160 Kursteilnehmern hat Walle, der selber unterrichtet und die Prüfungen abnimmt, schon in seinem Zentrum registriert, 70 davon sind bereits Führerscheininhaber. Das sind nicht sehr viele, aber für Werbung hat der Zentrumsleiter bei den geringen Preisen kein Geld mehr übrig. Imke Gloyer