In der Süßwarenabteilung

Mit den Besuchern der Hanfparade würde man am liebsten seinen Geburtstag feiern

Am Anfang war der Platz grün. Zur Love Parade hatten die Polizisten Sonnenblumen im Haar, auf dem Alex schauten sie einschüchternd um sich. An den Ausgängen des Bahnhofs standen sie in Gruppen und untersuchten die, die in ihr Bild eines Haschrauchers passten. Der junge Mann aus dem Ostharz hätte sich sein olivgrünes Drogenfahnder-T-Shirt vielleicht doch nicht anziehen sollen. Bei ihm fanden die Polizisten nichts, bei seiner Freundin anderthalb Gramm. Ob das Hasch mehr als 0,3 Prozent THC habe, fragte der Polizist, und sie antwortete unglücklicherweise, dass sie das nicht wisse. Die erkennungsdienstliche Beanstandung dauerte eine Dreiviertelstunde.

Erst waren wir sieben. Dann wollte der Balkanexperte mit seiner Familie kurz was zu trinken holen. Da waren wir nur noch fünf; saßen am Rande, rauchten was und schauten begeistert auf die bunten Menschen, die so sympathisch wirkten. Jugendliche sind klasse, sagte Kirsten. Manche hatten nur ein Hanfblatt im Knopfloch, andere ganze Pflanzen mitgebracht. Ein Kollege aus dem Badischen betonte entschuldigend, dass er eigentlich lange Haare habe. Dann verlor sich seine Freundin in der Spielzeugabteilung des Kaufhofs, und wir war’n nur noch vier. Wir wollten die Freundin an den Kaufhof-Ausgängen abpassen, da war’n wir nur noch zwei.

Vielen Hanffreunden ging es vermutlich wie uns. Tausende und Abertausende werden hängengeblieben sein: in den Süßwaren-, Spielzeug und Musikabteilungen der Kaufhäuser, auf Rastplätzen, an Brandenburger Seen oder auf dem Alex. Wenn nur jeder zehnte Kiffer gekommen wäre, würde sich vermutlich die Drogenpolitik ändern.

Die Parade war dann noch wunderschön. „Die Sachsen lassen grüßen / sie liegen dem Hanf zu Füßen“ stand auf einem Wagen. Als Sponsor war wieder OCB dabei. Alles war auch sehr generationsübergreifend. Punker saßen auf Bänken Unter den Linden und rauchten bunte Bongs; dünne Django-Hippies kamen aus den 70ern, Bommi-Baumann-Berliner mit Wampe und bunten Hemden aus den 60ern, Außenseiter, Fans des eher glücklosen Clubs Tennis-Borussia Berlin, Behinderte, Landfreaks: alles Leute, die man gern zu seinem Geburtstag einladen würde; ein total sympathisches Gesellschaftssegment, das in den „Generation Golf“-Analysen wegen geringer Kaufkraft nicht berücksichtigt wird. Der Bus der Schweizer Hanfkoordination war am schönsten und sah sehr marokkanisch aus.

DETLEF KUHLBRODT