Wenn Naturschützerinnen zweimal klingeln

■ Der Bremer Naturschutzverband WWF Meer und Küste besuchte die Nordseeinsel Wangerooge und löste ein Inselbeben aus / Es wurde gestritten über Reizthemen wie Golf- und Flugplätze sowie heruntergestufte Schutzgebiete, in denen Vögel brüten

Beatrice Claus, Gabriele Kranz und Heike Vesper vom Bremer WWF für Meer & Küste sind für Wangerooger „Mädchen“. „Schickt uns doch mal einen richtigen Kerl aus Bremen“, meint Hans-Jürgen Jürgens (73), Wangerooger Ureinwohner und Inselchronist. Sein Bürgermeister Holger Kohls hatte allerdings so viel Angst vor den „ Mädchen“, dass er versuchte, eine Diskussion über „Wangerooge und Naturschutz“ des WWF im gemeindeeigenen Rosenhaus-Wattenmeer zu verbieten. Schriftlich teilte Kohls dem WWF mit: „Auch wenn ich wollte, würde ich mit Ihnen nicht mehr reden.“

Die Angst Kohls ist eigentlich unbegründet: Am 6. September wird die Landtagsfraktion der SPD ihren überarbeiteten Gesetzesentwurf für ein neues Nationalpark-Gesetz Niedersächsisches Wattenmeer vorlegen (die taz berichtete). Im Wesentlichen wird dieser Gesetzesentwurf dem Wunsch der Insel- und Küstengemeinden entsprechen, ihren eh schon harten Tourismus mit mehreren Millionen Übernachtungen pro Jahr weiter auszubauen.

Trotzdem bleiben Reizthemen, über die auf den Inseln trefflich gestritten wird. So möchte der WWF alle Ostzipfel der ostfriesischen Inseln streng geschützt haben. Zumindest zwischen April und Juli wären diese Bereiche gesperrt. Dann brühten dort seltene Vogelarten wie beispielsweise die Zwergseeschwalbe. Das Terrain auf Wangerooge ist klein, die jetzige Absperrung ist ein gespannter Faden. In der Distanz kann man Tiere beobachten, die es in diesem natürlichen Zusammenhang nur noch im Fernsehen gibt. Genau hier hat aber der Wangerooger Yachtverein sein Recht zum Yachtparken und Betreten gegenüber den Naturschützern durchgesetzt. Im WWF Gespräch um eine Erklärung gebeten, meinte die Vertreterin des Yacht-Vorstandes, Hille Janßen: „Also während der Brutzeit können wir gerne auf unser Betretungsrecht verzichten.“ Beatrice Claus vom WWF: „Wenn diese direkten Gespräche zu solchen Ergebnissen führen, habe ich Hoffnung für den Erhalt der Natur.“ Zu früh gefreut. Wenige Stunden nach dem Gespräch lag eine offizielle Erklärung des Wangerooger Yachtvereins vor: „Der Yachtverein Wangerooge besteht auf seinem Recht der Begehung am Ostende.“ Auch Bremer SeglerInnen laben sich an dem einzigartigen Naturerlebnis. Campen, nächtliche Partys und Müll sind die dokumentierten Folgen. Dies streitet auch der Yachtverein nicht ab.

Nächstes Reizthema „Golf“. „Golf ist Breitensport“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Dieter Pasch. Bislang verfügt aber nur Norderney über einen Golfplatz, der größer werden soll. O-Ton aus Wangerooge von Detlev Schulz, SPD Wangerooge, Gemeinderat: „Es gibt auf Wangerooge keinen Plan für einen Golfplatz.“ Gudrun de Buhr vom Fremdenverkehrsverein: „Mit uns hat über einen Golfplatz niemand geredet. Es gibt keine Klientel für eine Golfkultur.“ Dieter Pasch, stellvertretender Bürgermeister: „Seit Jahren wird hier über einen Golfplatz diskutiert. Der Tennisverein hat sich zu einem Golfklub erweitert. Wir brauchen Golf für den Fremdenverkehr. Pläne liegen vor.“

Die für den Golfplatz vorgesehene Fläche liegt neben dem Flughafen. Wieder ein Reizthema. Wie alle Inseln möchte Wangerooge diesen erweitern. Dies ist zur Zeit wegen des Nationalparks nicht möglich. Deshalb hat die Gemeinde das Gelände als weniger schützenswert herunterstufen lassen. Offiziell heißt es, man wäre durch europäische Sicherheitsvorschriften gezwungen, die Lande- und Startbahnen zu verlängern. Dem Umweltministerium liegen allerdings entsprechende Unterlagen nicht vor. Beatrice Claus vom WWF: „Der bisherige Flugverkehr kann ordentlich ohne Erweiterungen abgewickelt werden.“ Aber: „Hier landen jetzt schon kleine Geschäftsjets“, heißt es auf Wangerooge. Für diese Düsenflieger soll der Flughafen sicher gemacht werden, so das Gerücht. Immerhin scheint Wangerooge mit täglich neun Linienverbindungen von Harle und jährlich mehr als 20.000 Flugbewegungen auf der Insel ein Hochleistungsflughafen zu sein. Der taz rückte der Wangerooger Tower die Zahlen nur ungern heraus: „Das ist ja wohl sehr politisch.“

Mathias Heckroth vom Naturschutzverband Mellumrat erklärt die Fläche um den Flughafen und den zukünftigen Golfplatz als an der Küste einzigartige Heide- und Orchideen-Wiese. Auf dem eingedeichten Areal liegt im wahrsten Sinne des Wortes Brutplatz an Brutplatz von Kiebitz, Rotschenkel, Feldlerche, Uferschnepfe, Aus-ternfischer und Rohrweihe.

„Niemals haben sich Wangerooger für den Naturschutz eingesetzt. Natur steht in Wangerooge am Marterpfahl“, donnert Inselchronist Jürgens im WWF-Gespräch. Dieter Pasch, stellvertretender Bürgermeister, redete auch nicht mit den Naturschützern: „Wir haben doch schon alles mit dem Umweltministerium geregelt“, meint er lächelnd. Thomas Schumacher