Bremer Vulkanprozess: „Viel hängt vom Verhalten der Banken ab“

■ Prozess geht dem Ende – und vermutlich dem Freispruch – entgegen / Wenn jemand über „untreue“ Verwendung der Ost-Millionen mehr weiß als das Gericht, dann die Banken-Vertreter

Die Stimmung zwischen den Verteidigern und dem Staatsanwalt Burkhard Quick ist gereizt nach einem Jahr Vulkan-Prozess vor dem Landgericht. Es geht um Akten, die der Staatsanwalt zitiert, die die Verteidiger aber nicht zur Verfügung haben. Es geht um Vorbehalte aus den Akten, bei denen der Staatsanwalt auswendig weiß, auf welchem Blatt der Akten-Meter das steht. Die Verteidiger, in Wirtschaftsverfahren versiert, versuchen dem Staatsanwalt fehlende Sachkompetenz zu insinuieren. „Sie haben ja viel gelernt in diesem Prozess“, wirft Hennemann-Verteidiger Hanns Feigen dem Staatsanwalt zu. „Ist ja auch eine gute Schule“, reagiert Staatsanwalt Burkhard Quick.

Unter den Zuschauern sitzt der letzte Vulkan-Konzern-Betriebsratsvorsitzende Kalli Schönberger, der seinen Dienstwagen (Marke BMW) erst abgeben musste, als der Konzern Konkurs anmeldete. Schönberger steht auch heute voll auf der Seite Hennemanns.

Gestern wurde als Zeuge der Münchener Sachverständige Prof. Wolfgang Lück befragt. Hennemann und dem Vulkan-Management kann er keine gravierenden Fehl-Entscheidungen vorwerfen. „Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann hängt sehr viel vom Verhalten der Banken ab“, entfährt es ihm. Der Vorsitzende Richter Eduard Scotland wirkt gelassen. Nach einem Jahr geht der Mammut-Prozess demnächst voraussichtlich ohne Schuldspruch zu Ende, auch wenn, wie das „Handelsblatt“ kolportiert, man in Werftenkreisen den Konzern-Verantwortlichen gern hinter Gittern sehen würde.

Hennemann galt immer als Außenseiter unter den Top-Managern der deutschen Werften. Als er den Konzern zu Schwindel erregender politischer Bedeutung anwachsen ließ, ging er offensichtlich davon aus, dass der Schiffbau gegen die Konkurrenz der billigen Löhne und der national motivierten Subventionen mit rein betriebswirtschaftlichen Mitteln nicht konkurrenzfähig zu betreiben war. Bis heute ist nicht ganz klar, ob es eine Ungeschicklichkeit war oder eine gezielte Indiskretion, mit der die Commerzbank als Vulkan-Hausbank im Sommer 1995 die Liquiditäts-Not des Konzerns an die Öffentlichkeit brachte und damit das Krisen-Karussell einleitete. Im Aufsichtsrat blockierten sich in diesen entscheidenden Wochen zwei Lager: Die Banken auf der einen Seite, die nach Stimmen in der Minderheit waren. Auf der anderen Seite die alte Mehrheit aus Gewerkschaften (Arbeitnehmerbank) und dem Vertreter des Bremer Senats aus Zeiten des früheren SPD-Regimes, Claus Grobecker. Erst nach den Monaten des Trudelns war der Konzern konkursreif, sagte der Gutachter.

Gerhard Schröder war damals noch Niedersachsens Ministerpräsident. Aber schon da hatte er – am Beispiel VW und am Beispiel ASL Lemwerder – vorgemacht, dass energische Industriepolitik erfolgreich sein kann. Aber dem kleinen Senat des kleinen Landes Bremen war der Konzern längst über den Kopf gewachsen. Die Landesregierung hatte in den Jahren vorher schon keinen Einfluss auf den Vulkan nehmen können und sie hatte nun, in der Krise, weder die Kompetenz noch die Kraft, industriepolitisch zu intervenieren. Das Land Bremen zahlte für den Zusammenbruch, während die Banken sich die Rest-Werte des Konzerns gesichert hatten. Auch deshalb hatten die Banken-Vertreter vor Gericht kein Interesse, das Vulkan-Management zu belasten. Klaus Wolschner

siehe Seiten 8 und 21