: Glanz und Glamour
Bubi Scholz, Deutschlands größter Boxer nach Max Schmeling, starb gestern 70-Jährig in Berlin
BERLIN taz ■ „Er ist Drummer einer zweitklassigen Bar-Combo“, schrieb Gustav „Bubi“ Scholz 1980 in seiner Autobiografie über seinen größten Gegner Harold Johnson und frohlockte, ihm hingegen gehe es „körperlich, materiell und und in der menschlich-seelischen Etage rundherum gut“. Das sollte sich wenige Jahre später ändern.
1984 erschoss der – trotz aller späterer inflationierter Weltmeistertitel – bedeutendste deutsche Boxer nach dem Zweiten Weltkrieg durch die geschlossene Badezimmertür hindurch im Vollrausch seine Frau Helga. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, es folgten zwei Selbstmordversuche, in den letzten Jahren litt Scholz an der Alzheimer-Krankheit und lebte in einem Seniorenheim, bis er gestern 70-Jährig starb.
Der Kampf gegen Johnson 1962 vor 40.000 Menschen im Berliner Olympiastadion um die Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht war der Höhepunkt einer großen Karriere, endete jedoch mit einer Enttäuschung. Gegen den vorsichtigen Titelverteidiger fand der Konterboxer Scholz kein Mittel und verlor knapp nach Punkten. So blieb die Europameisterschaft, die Scholz erstmals 1958 gegen den Franzosen Charles Humez gewann, sein größter Titel.
In den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren entfachte der Berliner eine Boxbegeisterung in Deutschland, wie es sie vorher nur zu Zeiten Max Schmelings und dann erst wieder mit dem Medienhype um Henry Maske gegeben hatte. Ähnlich wie später Muhammad Ali verstand es der sehr sauber und technisch perfekt boxende Scholz vorzüglich, gegnerischen Schlägen aus dem Weg zu gehen und den Ring meist ohne nennenswerte Blessuren zu verlassen, was seinem Image als Glamour Boy sehr zuträglich war. In seiner besten Zeit verkehrte Bubi Scholz mit Filmstars und Showgrößen, was ihm sichtlich schmeichelte, besang Platten und wirkte in zwei Filmen mit. Seine Boxkarriere beendete er 1964, von 96 Kämpfen hatte er nur zwei verloren.
MATTI LIESKE
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