Kohl erspart der CDU Streit

Kaum hatte die CDU ihren Ex-Parteichef mit einer eigenen Einheitsfete versöhnt, drohte neues Ungemach: Darf Kohl im Bundestag reden? Dabei ist alles einfach – er will nicht

BERLIN taz ■ Nun hat er seine Partei schon wieder überrascht. Helmut Kohl will nicht im Bundestag ans Rednerpult treten, um dort im Rahmen einer Parlamentsdebatte zum Stand der deutschen Einheit zu sprechen.

Mit dieser Aussage gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entschärft er den jüngsten Konflikt in der CDU um seine Auftritte zum zehnjährigen Jubiläum der deutschen Vereinigung. Bundeskanzler Gerhard Schröder plant für den 29. September eine Regierungserklärung zum Stand der deutschen Einheit.

Bis gestern Nachmittag, als die Kohl-Äußerung die Runde machte, hatten diverse CDU-Politiker für einen Kohl-Auftritt im Parlament geworben. Merkel machte gestern dagegen nach den Sitzungen von CDU-Vorstand und -Präsidium deutlich, dass sie die jüngst vereinbarte CDU-interne Feier am 1. Oktober für eine ausreichende Würdigung der Rolle Kohls hält. Zweimal betonte die CDU-Vorsitzende, dass im Mittelpunkt der Debatte im Bundestag die aktuelle Lage in Ostdeutschland steht, während der 1. Oktober „der Rückschau gilt“. Nach Merkels Ansicht soll die Debatte im Plenum von Vertretern der neuen Führung bestritten werden. Sie selbst könne sich einen eigenen Redebeitrag auf jeden Fall vorstellen, sagte Merkel.

Kohls treueste Helfer bemühten sich derweil, dem entehrten Ehrenvorsitzenden einen weiteren Auftritt zu ermöglichen. Ginge es nach ihnen, sollte die Entscheidung über eine Kohl-Rede allein bei Kohl liegen. Die Rednerliste „diskutieren wir nicht öffentlich und auch nicht in den Gremien“, sagte der Bremer Landesvorsitzende Bernd Neumann in Berlin. „Wenn Helmut Kohl sprechen möchte, wäre es töricht, das abzulehnen.“ Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Maria Böhmer und Günter Nooke, der zugleich Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten ist, hatten bereits für einen Auftritt Kohls im Parlament geworben. Angesichts der unübersichtlichen Lage hüteten sich CDU-Vorstand und -Präsidium gestern, eine Empfehlung für die Rednerliste am 29. September auszusprechen.

Nach dem Hin und Her um seinen Auftritt in Dresden hat Kohl gestern seinen Parteifreunden erneut gezeigt, dass er ihnen Ungemach bereiten oder ersparen kann – je nach Gusto.

PATRIK SCHWARZ