cdu-präsidium
: Von Kohls Gnaden

Geschlossen, einig, versöhnt. So präsentierte sich die CDU-Spitze nach ihrer gestrigen Präsidiumssitzung. Und eines können sich die Unions-Präsidialen in der Tat zugute halten: Die quälende Debatte um die Auftritte des großen Schattenvorsitzenden Helmut Kohl auf den Feiern zur deutschen Einheit ist erst einmal ad acta gelegt. Alle Kohlianer spenden begeistert Beifall, nicht nur für den Ex-Ehrenvorsitzenden, sondern auch für die eigentliche Vorsitzende Angela Merkel. Doch der Applaus aus dem Lager der eingefleischten Merkel-Feinde kommt einer wohl dosierten Ohrfeige gleich.

Kommentarvon GEORG BALTISSEN

Gewiss kann man der Meinung sein, dass Angela Merkel taktisches Geschick bewiesen hat, als sie auf Kohl zuging und ihn zur Teilnahme an der parteieeigenen Einheitsfeier bewegte. Doch die jetzt so groß bejubelte und Merkel zugeschriebene Versöhnung zwischen dem „Historienkanzler“ und dem „Sündenkanzler“ ist Merkels Eingeständnis, dass gegen Helmut Kohl in der CDU (noch) nicht anzukommen ist. Bei allen parteiinternen Lobeshymnen für Merkel, es spricht vieles dafür, dass nicht sie, sondern Helmut Kohl die Strippen dieser Versöhnung gezogen hat.

„Angst und Führungsschwäche“ hat der Nörgler Heiner Geißler denn auch prompt der eigenen Vorsitzenden vorgeworfen. Und ganz Unrecht hat er damit nicht. Die Abnabelung von Kohl und seinen Verfehlungen, die Merkel vor Monaten mit einem mutigen Artikel in einer bekannten deutschen Tageszeitung in die Wege geleitet hatte, hat sie jetzt – zumindest teilweise – zurücknehmen müssen. Das ist bitter für sie. Und es zeigt nicht Stärke, sondern Schwäche.

Mehr noch. Merkels Bittgang zu Kohl ist ein untrügliches Indiz dafür, dass ihr Führungsanspruch in der Partei alles andere als verankert ist. Drahtziehende Honoratioren und frustrierte Ex-Amtsinhaber haben der Vorsitzenden klargemacht, dass es für ihren Abnabelungskurs von Kohl keine Unterstützung mehr gibt. Aus Angst, noch mehr Macht zu verlieren und die Partei in selbstquälerische Debatten zu stürzen, hat Merkel nachgegeben. Damit aber steht sie nun als wankelmütige Parteivorsitzende von kohlianischen Gnaden da.

Überzeugend ist ein solches Bild nicht. Die Auseinandersetzung um die Vergangenheit ist für die CDU de facto alles andere als beendet. Erst gestern wurde bekannt, dass in rheinland-pfälzischen Ortsvereinen erneut Schwarzgelder aufgetaucht sind. Helmut Kohl lässt grüßen.

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