Berliner wollen Seattle nach Prag bringen

Globalisierungsgegner mobilisieren zu Protesten gegen den IWF-Kongress in Prag. Vorbild sind die Aktionen gegen die WTO-Tagung in Seattle. Das Kampagnenmotto ist umstritten. Dafür sollen die Parolen realistischer werden

Der tschechischen Hauptstadt Prag steht die Globalisierung bevor. Dafür sorgt nicht nur das Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) vom 26. bis 28. September. Unter dem Motto „Turn Prague into Seattle“ will auch die Kampagne gegen den IWF-Kongress internationale Protestformen im Osten etablieren.

Drei bis vier Busse mit IWF-Gegnern sollen auch aus Berlin nach Prag fahren. Schon fünf Tage vor dem ersten Treffen dieser Art in einem Land des ehemaligen Ostblocks sollen vor Ort Aktionen starten: Gegen die Liberalisierung des Weltmarktes, gegen Privatisierung und Deregulierung auf Kosten der Länder der Dritten Welt, für die die Protestler IWF und Weltbank verantwortlich machen.

Zurzeit gibt es in Berlin zwei Koordinierungsgruppen. Jeden Montag treffen sich etwa 15 Personen im Mehringhof. Zu diesem Montagsbündnis gehören die Antifaschistische Aktion Berlin, Linksruck, Peoples Global Action, die tschechische Organisation Impac, PDS-Mitglieder sowie Einzelpersonen.

In der Köpenicker Straße 137 werden sonntags die dortigen Aktionstage vom 5. bis 8. September vorbereitet, die für die Pragfahrten mobilisieren sollen.

„Turn Prague into Seattle?“ Die Aktivistin Ann Stafford ist sich nicht sicher, ob das für die Aktionen in Prag wirklich das richtige Motto ist. „Die lokale Bevölkerung wird dadurch abgeschreckt“, befürchtet Stafford. Denn mit Seattle verbindet man auch Straßenschlachten mit der Polizei und tagelanges Chaos.

In der US-amerikanischen Stadt gab es im Dezember vergangenen Jahres massenhafte Proteste anlässlich der dortigen Jahrestagung der Welthandelsorganisation WTO. Über 30.000 Menschen demonstrierten mehrere Tage für „Fairen statt freien Handel“ und verhinderten unter anderem den pünktlichen Beginn der Konferenz.

„Panikmache ist nicht sinnvoll, wir müssen uns etwas Nettes, Freudiges ausdenken“, warnt Stafford. Immerhin sind neben Demonstrationen und Blockaden bis jetzt auch bunte Innenstadtaktionen mit Straßentheater in Prag geplant. Zudem wird ein Kulturfestival den internationalen Gästen genügend Abwechslung bieten.

Offen ist noch, ob dafür genug Protestpublikum anreist. „Prag muss von uns noch bekannt gemacht werden“, meint etwa Regine Sternal von Linksruck. Derzeit leide die Mobilisierung unter dem Sommerloch. So dürfte die Polizei vor Ort den DemonstrantInnen aus nahezu allen europäischen Ländern zahlenmäßig überlegen sein. 11.000 PolizistInnen sind für den Einsatz vorgesehen, Truppen der tschechischen Armee samt Räumpanzer stehen in Alarmbereitschaft.

Doch das schreckt alte Hasen nicht ab. Der 50-jährige Hauke organisierte schon 1988 den Protest gegen den IWF-Gipfel in Berlin. Er will mit Freunden nach Prag fahren, mit denen er schon vor zwölf Jahren Aktionen gemacht hat. „Damals hatten wir die Hoffnung, dass wir dem Weltimperialismus wirklich Paroli bieten könnten“, erinnert sich der Altautonome. Heute seien die Parolen nüchterner und realistischer. MAJA SCHUSTER