Mobbing bei der Polizei

Personalrat stellt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft „Kritischer PolizistInnen“ wegen ihrer Äußerungen zur Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Kritiker haben es schwer bei der Polizei. Hauptkommissarin Bianca Müller (46) kann ein Lied davon singen. Nachdem sie vor wenigen Wochen in ihrer Funktion als Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten von „zunehmender Ausländerfeindlichkeit“ bei der Polizei sprach, hat jetzt ein Personalrat der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Diffamierung gestellt.

Müller hatte erklärt, dass rund 5 Prozent der Polizisten „fest gefügte rechtsextreme Auffassungen“ hätten und zehn Prozent „Mitläufer“ seien, denen schon mal das Wort „Kanake“ rausrutsche. Das löste einen Sturm der Entrüstung aus: In Aushängen der GdP in Polizeidienststellen wurden Straf-, Disziplinar- und Dienstaufsichtsverfahren gegen Müller gefordert. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky bezeichnete die Zahlen als „aus der Luft gegriffen“, der Berliner Landesvorsitzende der GdP, Eberhard Schönberg, sprach von „Einzelfällen“. Sowohl Saberschinsky als auch Schönberg sind zudem der Meinung, daß „Kanake“ keine rassistische Äußerung sei.

Müller sieht der Beschwerde und dem Vorwurf, sie leide unter einem „übersteigerten Geltungsbedürfnis“ gelassen entgegen. „Ich bin 25 Jahre im Außendienst“, sagte sie zur taz, „und weiß sehr gut, wovon ich rede.“ So gebe es Dienststellen mit gar keiner und geschlossene Einheiten mit hoher Ausländerfeindlichkeit. Müller wird in den nächsten Tagen Strafanzeige gegen die GdP und den Personalrat wegen Verleumdung, Beleidung und übler Nachrede stellen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft weist die Vorwürfe gegen ihre Sprecherin entschieden zurück. Es sei „erschreckend“, dass an der „Verunglimpfung“ Personalräte der GdP beteiligt seien, gegen die im Zusammenhang mit dem Selbstmord einer Berliner Polizistin 1997 ermittelt wurde. Deren Eltern sind überzeugt, dass ihre Tochter massiv gemobbt wurde. „Dieselben haben auch damals gegen mich gemobbt“, so Müller. Die Strafanzeigen laufen noch.

Kritik an ihrer Kritik ist Bianca Müller gewöhnt. Allein 1999 sind nach ihren Angaben zehn Straf- und Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet worden, weil sie sich für Mobbingopfer eingesetzt habe. „Alle Verfahren wurden eingestellt“, so Müller. Ihr Engagement habe damit zu tun, dass sie selbst gemobbt wurde bzw. wird. Bianca Müller wurde 1993, als sie nach einer Brustamputation einen so genannten Brustaufbau machen ließ, massiv von Kollegen angemacht. So habe ihr ein Kollege über ein Dutzend Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen, er müsse mit ihr ins Bett gehen, um seinen Kollegen mitteilen zu können, ob sie „wieder eine richtige Frau“ sei. „Seitdem ich mich dagegen zur Wehr gesetzt habe“, so Müller, „werde ich massiv gemobbt.“

Vor zweieinhalb Jahren wurde Müller zur Sprecherin des 500 Mitglieder großen CDU-Polizei-Arbeitskreises abgewählt. Begründung: Sie habe den Medien Materialien über Mobbing-Fälle in der Polizei zukommen lassen. Dabei handelte es sich jedoch um Artikel, die bereits in der Mitgliederzeitung des Arbeitskreises veröffentlicht worden waren. Zudem hatte der Vorstand der Weitergabe zugestimmt. Der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland sprach damals von einer „schäbigen Retourkutsche der CDU“ dafür, dass Müller bereit war, vor dem Innenausschuss über Mobbing auszusagen.