Atlantis ist online

Der Inselstaat Tuvalu finanziert seinen Haushalt mit der Vergabe von Internet-Domains. Gorny-Sender Viva hilft

Waren Sie schon einmal in Funafuti, der Hauptstadt der Inselgruppe Tuvalu? Nein? Macht nichts. Zwar sehen die Strände dort aus wie für den Ferienkatalog abfotografiert, ansonsten geht das kleine Eiland mit seinen Attraktionen aber eher sparsam um. Es gibt ein paar Einwohner, die sich ihren Lebensunterhalt mit Fischfang verdienen. Aber sonst nichts. Keine Flüsse. Keine Berge. Nicht mal Bodenschätze. Um ihren Finanzhaushalt muss sich die Regierung trotzdem keine Gedanken machen. Der ist schließlich, dem Internetboom sei Dank, für die kommenden Jahre abgesichert.

Seit der Inselgruppe von der „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (Icann) die Länderkennung „.tv“ für Internet-Adressen zugeschrieben wurde, ist der 10.000-Einwohner-Staat saniert. Dabei kümmern sich die Insulaner nicht einmal selbst um die Vergabe der Adressen. Die Rechte dafür hat Tuvalu nämlich an das kanadische Unternehmen dotTV verhökert, das nun über Zulassung und Preis für die begehrten URLs entscheidet. 4 Millionen US-Dollar zahlen die Kanadier der Regierung jährlich, und das über einen Zeitraum von zehn Jahren – kein Vergleich zu dem, was dotTV mit der Domain-Vergabe verdienen wird, aber eine prima Zulage für die Insulaner.

Schon für 50 Dollar ist derzeit eine „.tv“-Domain zu haben. Je begehrter der Name, desto höher aber auch der Preis: So manche begehrte Adresse wird für bis zu 100.000 Dollar versteigert. Nach Großbritannien und den Niederlanden kommen die meisten europäischen Anträge aus Deutschland, so Ron Campell von der kalifornischen PR-Agentur Schwartz Communications, die dotTV vermarktet.

Auch Clipkanal Viva hat den Trend nicht verschlafen. Heute will Viva-Chef Dieter Gorny auf der Düsseldorfer Telemesse erstmals den neuen Web-Auftritt seines TV-Zöglings vorstellen. Die eher öde Website des Senders vivaliebtdich.de soll nun komplett überarbeitet unter viva.tv an den Start gehen. Dabei haben die Kölner aus der Not eine Tugend gemacht: Da viva.de von einem Koblenzer Software-Hersteller besetzt wird, blieb dem Sender nichts anderes übrig, als sich nach einer anderen Adresse umzusehen. Ein Verkauf der URL kommt für den Softwarehersteller nicht in Frage, lediglich eine Kooperation sei vorstellbar, heißt es in Koblenz. Darauf will sich Viva jedoch nicht einlassen. Die „.tv“-Domäne sei wegen ihrer Einprägsamkeit ausgewählt worden, Interesse an viva.de gebe es – unverständlicherweise – keines mehr. Immerhin: Die Konkurrenz ist mit onyx.tv schon längst online.

Den Inselbewohnern dürfte all das vollkommen egal sein. Internetanschluss gibt es auf der Insel sowieso nur einen einzigen. Vielleicht aber kann dotTV die Millionenzahlungen aufs Eiland schon bald ganz aussetzen. Tuvalu droht nämlich mit ansteigendem Meeresspiegel in nächster Zeit im Pazifik zu versinken. Nur gut, dass die Webserver ganz woanders stehen. Atlantis bleibt online. PEER SCHADER