Herzen kennen keine Sprachbarrieren

Gesundheitsministerium: Sprachprobleme sind kein Operationshindernis. Türkin bekommt nun doch ein neues Herz

FRANKFURT taz ■ Der Gießener Oberarzt Yasar Bilgin musste sich gestern Vormittag immer wieder gegen Kollegenschelte wehren: „Ich bekomme schon Kopfschmerzen.“ Dabei habe er, sagt er, doch „nichts Unrechtes getan“, als er am Montag den Fall einer türkischen Patientin öffentlich machte, der eine Herztransplantation verweigert worden war. Die 56-jährige Fatima Elaldi war wegen der „Sprachbarrieren“ vom Bad Oeynhausener Herz- und Diabeteszentrum von der Warteliste gestrichen worden. Wegen ihrer mangelnden Deutschkenntnisse sei Elaldi nicht als Empfängerin eines Spenderherzens geeignet, entschied die Klinik. Sie begründete dies mit dem Transplantationsgesetz, nach dem bei der Organvergabe die zwei Kriterien Dringlichkeit und Erfolgsaussicht berücksichtigt werden müssten. Bei der Patientin sei die Nachsorge nicht gesichert, weil sie Anweisungen falsch verstehen könnte.

Bilgin konnte Elaldi inzwischen an ein Herzzentrum im westfälischen Münster vermitteln. Die dortigen Ärzte kamen zu einem völlig anderen Schluss: „Die Sprachbarriere betrachten wir nicht als Kontraindikation.“ Andere Faktoren seien wesentlich ausschlaggebender für die Erfolgsaussichten einer Operation. Die 56-Jährige, die seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, sei sehr engagiert, kommunikativ, ausgeglichen, zuverlässig und sozial eingebunden. Bilgin verwies gestern auf die familiäre Situation Elaldis, der drei Kinder und neun Enkel zur Seite stehen, die alle in Deutschland leben und gut Deutsch sprechen. Außerdem könne sie sich durchaus so gut verständlich machen wie andere Patienten auch.

Solche Entscheidungen wie in Bad Oeynhausen, so Bilgin, gebe es schon seit Jahren. Sie müssten vom Gesetzgeber grundsätzlich geregelt werden. Er verwies noch einmal auf zwei andere Fälle aus seiner Praxis. In Frankfurt am Main seien ein Mann und eine Frau, die beide eine Nierentransplantation benötigt hätten, aus ähnlichen Gründen abgelehnt worden. Für das Bundesgesundheitsministerium stellte Pressesprecher Knut Janßen gestern klar, dass „mangelnde Sprachkenntnisse kein ausreichendes Kriterium sein können, eine Transplantation zu verweigern“. Allerdings könne er sich nicht zu Einzelfällen äußern, denn die Entscheidung obliege letztendlich dem Arzt. Betroffene könnten sich aber mit Beschwerden nicht nur an die Ärztekammern, sondern auch an Patientenberatungen und Krankenkassen wenden. HEIDE PLATEN