Skeptiker fürchten eine „Blamage für den Rechtsstaat“

Während die meisten in der SPD-Parteiführung repressivere Maßnahmen gegen die NPD fordern, hegt Innenminister Otto Schily in der Frage eines Verbots Vorbehalte

BERLIN taz ■ Ganz allein muss Otto Schily sich zumindest nicht fühlen. Ähnlich wie der Bundesinnenminister sieht auch das sozialdemokratische Stammmilieu ein Verbot der NPD skeptisch. Bei einer Online-Umfrage auf der Website des Deutschen Gewerkschaftsbundes (www.dgb2000.de) lehnen derzeit 35,6 Prozent der Teilnehmer das Parteiverbot ab.

Das Ergebnis ist doppelt bemerkenswert für ein Forum unter dem Titel „Flagge zeigen gegen Rechts“, in dem Leserzuschriften gerne in kategorischem Ton abgefasst sind. „Für die Gewerkschaften sind alle nationalistischen und rassistischen Aktivitäten und Aktionen entschieden zu bekämpfen.“

In der SPD selbst befindet sich Otto Schily dieser Tage allerdings in einer ungewohnten Rolle. Die meisten anderen Köpfe in der Parteiführung fordern repressivere Massnahmen als der oft als Rechtsaußen der SPD gehandelte Politiker. Zuletzt bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern am Freitag vergangener Woche hatte Schily betont, er sehe die Diskussion um ein NPD-Verbot ergebnisoffen: „Ich bin dafür, dass wir das Für und Wider sehr nüchtern prüfen.“ Deshalb sei aus seiner Sicht die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die die Chancen eines Verbotsantrages beim Bundesverfassungsgericht prüfen soll, „kein Vorentscheid“.

Seitdem ist die SPD rechts an Schily vorbeigezogen. Das Startsignal gab Bundeskanzler Gerhard Schröder, der in der Bild am Sonntag die Idee eines gemeinsamen Verbotsantrags von Regierung, Bundestag und Bundesrat in die Diskussion brachte. So viel geballte Staatsräson würde in Karlsruhe durchaus Eindruck machen, meint der Kanzler. Noch am Wochenende folgte Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis mit der Begründung, die NPD sei die „logistische Serviceeinheit für gewalttätige Gruppen“. Am Montag dann folgte das SPD-Präsidium dem Kurs des Parteivorsitzenden Schröder. Einziger Vorbehalt natürlich: Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe muss den Antrag erst für juristisch aussichtsreich erklären. Sonst drohe „eine Blamage für den Rechtsstaat“, warnt Schilys Sprecher Rainer Lingenthal, „das würde die NPD propagandistisch ausschlachten.“ Vor allem Bayern und Niedersachsen sind überzeugt, in der AG ausreichend Erkenntnisse ihrer Verfassungsschützer vorlegen zu können, um das Verbot zu rechtfertigen. Schilys sorgt sich dagegen um die „Zugriffs- und Beobachtungsmöglichkeit“ von Polizei und Verfassungsschutz, wenn das Sammelbecken NPD erst einmal zerschlagen ist. Peter Struck, SPD-Fraktionschef im Bundestag, möchte gar nicht erst warten, bis die Expertise zu den Nationaldemokraten vorliegt. Struck plädiert dafür, die Verbotsdiskussion jetzt schon auszudehnen: „Ich bin dafür, dass man auch die DVU und die Republikaner mit einbezieht.“

PATRIK SCHWARZ