härtere strafen
: „Bewährungs-Wischiwaschi“

Der Zeitpunkt lädt zu Missverständnissen ein. Ausgerechnet im Vorfeld des Prozesses gegen die Mörder vom Dessauer Stadtpark meldete sich Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Wort und forderte ein „eisenhartes“ Vorgehen gegen rechtsradikale Gewalttäter. „Mit der Verhängung von Bewährungsstrafen muss man nicht so freundlich sein, wie das manchmal geschieht.“ Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte am Wochenende, nur „schnelle Strafen ohne Bewährung“ könnten dem „rechtsradikalen Spuk“ ein Ende bereiten.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

Den Prozess in Halle tangiert diese Forderung kaum. Gegen die Mörder von Alberto Adriano wird es keine Bewährungs-, sondern aller Voraussicht nach langjährige Haftstrafen geben. Auch Zögerlichkeit ist bei dieser Verhandlung nicht im Spiel. Wenn ein Prozess bereits zwei Monate nach der Tat beginnt, gibt es nichts mehr zu beschleunigen. So viel Zeit benötigen alle am Verfahren Beteiligten, um sich angemessen auf die Verhandlung vorzubereiten.

Die Frage nach Sinn oder Unsinn von Bewährungsstrafen stellt sich wohl eher bei Fällen mit leichter bis mittelschwerer Gewaltkriminalität von rechtsradikalen Jugendlichen. Manche Gerichte verhängen bei Ersttätern noch Bewährungsstrafen, andere verfahren rigide nach dem Motto „Wer schlägt, der sitzt“. Ein Wuppertaler Amtsrichter, der sich scharf gegen das „Bewährungs-Wischiwaschi“ abgrenzte, wurde jetzt von Kanzler Schröder sogar zum bundesweiten Vorbild erklärt.

Natürlich spricht vieles dafür, bei Gewalt gegen Menschen grundsätzlich andere Maßstäbe anzulegen als etwa bei Propagandadelikten. Und auch wenn das Opfer eines Angriffs kaum oder nur leicht verletzt wurde, so wiegt die traumatisierende Wirkung oft ebenso schwer.

Zugleich ist aber die Verhängung von Bewährungsstrafen kein „Wischiwaschi“, sondern ein prinzipiell sinnvolles Konzept. Kriminelles Verhalten ist bei Jugendlichen oft phasenspezifisch. Wer hier zu hart zuschlägt, erschwert den Tätern den Rückweg in ein straffreies Leben. Strafhaft führt meist zum Verlust des Arbeitsplatzes und zur Einbindung in kriminelle Subkulturen. Sie zu vermeiden ist daher immer eine Überlegung wert. Das gilt auch bei Rechten. Für die Abschreckung von potenziellen Tätern ist ohnehin die Entdeckungswahrscheinlichkeit viel wichtiger als die Höhe der drohenden Strafe.