Soundcheck

Gehört: Vitto, Fabrik. Plattenfirmen sind bekanntlich gnadenlose Blutsauger, die arme Musiker um den letzten Tropfen Lebenssaft zu bringen trachten. Im Falle Vittos scheint es umgekehrt zu sein: Wir haben hier einen mittelmäßgen Musiker, für den die Plattenfirma vieles tut – zum Beispiel ihn anlässlich der Veröffentlichung seines Debütalbums extra für ein einziges Konzert nach Deutschland holen, jede Menge Journalisten und andere „Opinion leader“ einladen, so dass die Fabrik keinen allzu leeren Eindruck macht, obwohl der Künstler unbekannt ist, aus Brasilien kommt und außerdem der HSV zeitgleich um den Einzug in die Champions League spielt – und dann gibt sich der Sauhund noch nichtmal richtig Mühe. Kaum Versuche, sich mit dem durchaus sachkundigen Publikum zu verständigen, kaum Abschweifen vom Programm seiner Platte, keinerlei Extraeinsatz. Stattdessen blies der Mann nach einer guten Stunde bereits zum Feierabend. Er war großzügig genug, noch ein kleines Zugabenset dranzuhängen, aber als ihn die Zuhörer ein weiteres Mal herausbaten, musste er schon ein Stück wiederholen.

Es war nicht alles schlecht an diesem Abend, einige Songs hatten tolle Ansätze, die vier Begleitmusiker waren okay, Vitto selber kann super Gitarre spielen. Aber der Mann hat entweder keinerlei Geschmack oder wird schlecht beraten. Zum Beispiel, was die Zusammenstellung seiner Band angeht: Bass, Schlagzeug, Percussion, Saxophon – das mag sich zunächst nicht weiter gefährlich anhören. Aber die fragileren Stücke wurden von der vereinten Trommelpower ziemlich zugeballert, und das Sopransaxophon darf eigentlich heutzutage nur noch in äußers-ten Notfällen oder von Gruppen wie Ween eingesetzt werden. Tiefpunkt der Veranstaltung: Eine hochdramatische Version von Cartolas altem Samba „As Rosas nao Falam“, bei der Vitto seine ganze Flamenco-geschulte Fingerfertigkeit vorführte. Was ungefähr so passend ist, wie Hank Williams für Sinfonieorchester zu arrangieren oder Howlin' Wolf-Stücke von einer Sopranistin interpretieren zu lassen.

Ob aus dem mal ein großer Songwriter wird? Im Moment bleibt festzuhalten, dass Brasilien, Gott sei Dank, bessere hat.

Detlef Diederichsen