Gaunerjagd mit alten Kisten

Der Fuhrpark der Polizei ist überaltert. Weil kein Geld für Neuwagen da ist, werden die Fahrzeuge für 13 Millionen Mark im Jahr am Leben gehalten. Eine Arbeitsgruppe soll Neukauf oder Leasing prüfen

von BERT SCHULZ

Das waren noch Zeiten, als die Polizei hoch zu Ross auf Verbrecherjagd ging. Saß der Gauner hinter Schloss und Riegel, bekamen die Pferde Wasser und Hafer, und schon war das Transportmittel für den nächsten Einsatz bereit.

Heute werden in der einstigen Reiterhalle auf dem Gelände der Polizeiwache in der Friesenstraße Autos fit gemacht. Wannen, Streifenwagen, ein kleiner Traktor, jede Menge Motorräder, ein Wasserwerfer und zwei Räumpanzer – intern als SW (Sonderwagen) 4 – bezeichnet, warten auf ihre Behandlung durch geschickte Hände.

Die dort abgestellten Fahrzeuge würden ausreichen, um eine mittelgroße Demonstration einzuschüchtern – wenn die Vehikel es noch könnten. Wie ein verzweifelter, auf dem Rücken liegender Käfer wirkt etwa der Räumpanzer, dem das komplette Fahrwerk fehlt. Saft- und kraftlos ist der 26 Tonnen schwere Wasserwerfer mit Pumpenschaden. Ein erfreulicher Anblick für so manchen altgedienten Straßenkämpfer, ein alltäglicher für Gerhard Möstchen, den Leiter der Werkstatt.

Die Klagen über den notdürftig zusammengeflickten Fuhrpark gehören seit Jahren zum Kanon der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Nach wie vor ist der Kraftfahrzeugbestand der Polizei völlig überaltert“, schimpft die GdP. So seien etwa die VW-Busse im Schnitt 85 Tage pro Jahr in der Werkstatt, 13 Millionen Mark müssten allein für Reparaturen ausgegeben werden. Geld für Neuanschaffungen sei nicht vorhanden. Der Senat habe seine Zusage zur „umfassenden Moderniesierung“ nicht eingehalten.

Repariert wird bis zum Gehtnichtmehr und darüber hinaus. Peter Weinhold, Referatsleiter für Kraftfahrzeugwesen: „Auch wenn ein Fahrzeug wirtschaftlich ein Totalschaden ist, wird es meistens instandgesetzt und nicht etwa ausgemustert.“ Der Grund: Die technische Sonderausrüstung – wie etwa die Funksprechanlage – mache bis zu einem Drittel des Wertes aus. Eine klare Richtlinie, wann sich eine Reparatur wirklich nicht mehr lohnt, existiert nach Angaben von Weinhold nicht.

Polizeiliche Statistiken weisen ein Durchschnittsalter von 7,4 Jahren für alle 735 Kleinbusse aus. Der Methusalem unter ihnen kurvt seit 19 Jahren durch die Stadt. Damit die Polizei nicht ganz auf der Strecke bleibt, soll sich demnächst eine Arbeitsgruppe der Polizei mit der „Neuordnung des Fuhrparks“ beschäftigen. Die soll unter anderem prüfen, ob die Beamten eines Tages vielleicht mit geleasten Wagen auf Verbrecherjagd gehen.

Abgesehen davon, dass der Kundenkreis ausschließlich aus Gesetzeshütern besteht, unterscheidet sich die Polizeireparaturstätte nicht sonderlich von Werkstätten auf dem freien Markt. Wie in fast jeder dudelt laue Popmusik aus dem Radio, an einigen Wänden hängen Pin-ups, in der Lackiererei eher kunstvoll verzierte Motorhauben.

Eng geht es in der Motorradwerkstatt zu: Zwischen einigen Oldtimern der Motorsportgruppe, einem kleinen Aquarium mit beruhigend umherschwimmenden Fischen und den klassisch grünen Polizeimaschinen stehen viele andersfarbige Zweiräder. Wer hätte gedacht, dass die Polizei in Zivil sogar auf einem Roller und einem heißen Chopper unterwegs ist?

Allen 72 Mechanikern der Polizeiwerkstatt sind die regelmäßig wiederkehrenden Drang- und Stoßphasen bekannt: Zu Silvester, bei großen Staatsbesuchen und am 1. Mai. Vor Großereignissen müssen 98 Prozent bestimmter, vorher festgelegter Fahrzeuge einsatzbereit sein. So war der Tag der Arbeit auch für die Mitarbeiter von Werkstattleiter Möstchen ein „Kampftag“.