Soziblatt schachmatt

Mit hektischen Konzeptänderungen verjagte die südschwedische Zeitung „Arbetet“ Leser und Anzeigenkunden. Morgen wird das Blatt eingestellt

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Die im südschwedischen Malmö erscheinende Tagszeitung Arbetet, größte sozialdemokratische Zeitung des Landes, erklärte sich am Montag zahlungsunfähig und meldete Konkurs an. Morgen soll nun die letzte Ausgabe erscheinen. Danach droht den 300 Angestellten, davon knapp die Hälfte JournalistInnen, der Verlust ihrer Arbeitsplätze.

Nach einer Glanzzeit in den achtziger Jahren, als Arbetet mit einer Auflage von über 100.000 Exemplaren auflagenstärkste Tageszeitung in der südschwedischen Metropole war, ging es für die Blattmacher stetig bergab. Auf rund 50.000 Ausgaben hat sich die Auflage mittlerweile halbiert, der Lokalkonkurrent Sydsvenska Dagbladet ist mit knapp 130.000 verkauften Exemplaren weit davongezogen.

Arbetet musste angesichts dieser Entwicklung eine ähnliche Erfahrung machen wie so manch andere schwedische Tageszeitung und einen kräftigen Einbruch bei den Anzeigenerlösen hinnehmen. Die schwedische Pressepolitik will trotz solcher marktwirtschaftlicher Mechanismen die Meinungsvielfalt sichern. Das strukturelle Problem der „Zweitzeitungen“ ist, dass sie zur Wahrung ihrer Konkurrenzfähigkeit ähnlich große journalistische Ressourcen nötig haben wie die Marktführer, dass sie sich aber gleichzeitig auf viel geringere Anzeigenerlöse stützen können. In Schweden wird daher an Zweitzeitungen eine auflagenorientierte staatliche Presseförderung gezahlt. Aus der erhielt zuletzt auch Arbetet knapp 20 Millionen Mark jährlich. Dennoch machte das Blatt rund 8 Millionen Mark Verlust – teilweise selbst verschuldet, wie KritikerInnen meinen.

Anstatt sich ein eigenes Profil zu geben, änderten die Blattmacher zunächst mehrfach das Konzept. Der Wechsel von einer reinen Lokalzeitung zur Qualitätszeitung mit national gehörter Stimme wurde jedoch schnell wieder rückgängig gemacht. Als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, versuchte es Arbetet vergeblich mit einer optischen Annäherung an den Marktführer Sydsvenska Dagbladet und vergraulte kurzerhand viele StammleserInnen damit, dass ausgerechnet „ihrer“ sozialdemokratischen Arbetet eine rosafarbene Wirtschaftsbeilage beigelegt wurde.

Diese Ziellosigkeit trieb teilweise sehr kuriose Blüten. So wurde der traditionelle, aber vermeintlich nicht mehr zeitgemäße Name (Arbetet bedeutet „Arbeit“) abgelegt und zeitweilig in Neue Zeit geändert – nur um auch diesen hilflosen Modernisierungsschritt bald wieder revidieren zu müssen. Dabei sollte es doch gerade in Malmö genügend Leser für eine Alternative zum bürgerlichen Sydsvenska Dagbladet geben – von allen schwedischen Großstädten hat Malmö mit seinen Einwandererstadtteilen und den Problemwohngebieten die breitesten sozialen Gräben, gleichzeitig aber eine starke sozialdemokratische Tradition.

Das sahen wohl auch die Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei so, als im Frühsommer die Beratungen über einen möglichen Rettungsplan für die krisengeschüttelte Arbetet begannen. Das Votum der Beratschlagenden fiel dennoch negativ aus: Die knapp 25 Millionen Mark, die Rekonstruktion und Relaunch der Zeitung kosten würden, kann die alles andere als knapp betuchte schwedische Arbeiterbewegung angeblich nicht aufbringen. Auch in Schweden beschränkt sich sozialdemokratische Pressepolitik eben vorwiegend darauf, das eigene Begräbnis sozialverträglich zu verwalten. Arbetet war gemeinsam mit der ebenfalls vom Konkurs betroffenen Regionalausgabe in Göteborg die letzte sozialdemokratische Zeitungsstimme in einer schwedischen Großstadt.