Der unermüdliche Streiter

Peter Gingold, Mitglied der Kritischen Aktionäre der IG Farben i. A., Altkommunist und Antifaschist

Respekt vor dem Alter? Eigentlich keine Frage. Und Respekt vor einem alten Kommunisten? Einem wie Peter Gingold (84), der ein überzeugter Stalinist war und es noch immer ist? „Nichts zu bereuen“ hätten die realen Sozialialisten in der am Ende politisch, ökonomisch und ökologisch völlig verrotteten DDR, sagte Gingold, Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) gleich auf dem ersten Parteitag der DKP nach der Wende. Und deshalb müssten die wahren Kommunisten in Westdeutschland, die immer treu und im (Irr-)Glauben fest zu den Genossen in Ostberlin standen, nicht in Sack und Asche durch die neue Zeit gehen. Peter Gingold: lernresistent bis zur Selbstverleugnung.

Für den „jüdischen Kommunisten“ waren die atomaren SS-20-Raketen der Sowjetunion immer „Friedensstifter“. Und die maroden Atommeiler im Osten „in der Hand des Volkes“ ganz prima Reaktoren – auch noch nach dem GAU von Tschernobyl. Gingold singt heute noch gern das hohe Lied von den Spanienkämpfern. Denn er war dabei, als es nach dem Putsch der Faschisten unter General Franco 1936 galt, die Republik zu retten. Nicht so gern spricht er davon, dass seine strammen Kommunisten Mitglieder der anarchistischen Brigaden in Barcelona und anderswo an die Wand stellten. Stalinisten dulden eben keine anderen Linken neben sich. Gegner und Opfer des SS-Regimes seien sie gewesen, die alten Kommunisten, aber auch „Komplizen des mörderischen Stalin-Regimes“, schrieb der Politologe Iring Fetscher über die Verfolgung von „Abweichlern“ im KZ Buchenwald. Dieser Wahrheit verschließt sich Gingold.

Wahrhaftig ist dagegen sein permanenter Kampf gegen den Faschismus. Die Familie Gingold floh vor den Nazis nach Paris. Der junge Peter Gingold schloss sich dort Mitte der 30er-Jahre der „Freien Deutschen Jugend“ an und wurde später Mitglied der Résistance. 1944 befreite er Paris mit. Im Nachkriegsdeutschland machte ihn das Verbot der KPD wieder zum Illegalen. Der Franzose wurde erst 1974 zum Deutschen: nach seinem späten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordung. Gestern stand Peter Gingold wieder auf der Straße: Protest gegen die Hauptversammlung der IG Farben in Abwicklung in Frankfurt; Protest gegen den „Blutaktienhandel“ der Nachfolgegesellschaft der verbrecherischen IG Farben, die im Dritten Reich ein eigenes KZ für Zwangsarbeiter betrieb. Respekt für Gingold? Dafür ja. Und für die hartnäckige antifaschistische Haltung.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT