Union hat sich geirrt

CDU-Studie widerlegt die Lieblingsthese der Union: Lohnnebenkosten bremsen Wirtschaftswachstum kaum

BERLIN taz ■ „Hochspannend“ und „erstaunlich“ findet der CDU-Bundestagsabgeordnete Ulf Fink, was seine Studie fast nebenbei ergab: Ob die Wirtschaft boomt oder ob sie dahinsiecht und ein Heer von Arbeitslosen schafft, hat sehr wenig mit den viel gescholtenen Lohnnebenkosten zu tun. Gemeinsam mit Hermann Berié, dem ehemaligen Chefökonomen des Bundesarbeitsministeriums, verglich er europäische Sozialmodelle und stellte fest: „Unsere These, dass eine hohe Belastung des Arbeitgebers das Wachstum bremst und zu höherer Arbeitslosigkeit führt, scheint falsch zu sein.“

Als Beleg führte er an, dass 1996 in Dänemark die Arbeitgeber nur 5,2 Prozent des Sozialbudgets finanzierten, in Spanien aber fast 42 Prozent. Trotzdem habe sich die dänische Wirtschaft nicht besser entwickelt als die spanische. „Es scheint eher so zu sein, dass der Arbeitgeber weniger Lohn auszahlt, wenn seine Kosten steigen“, stellte der Sozialpolitiker Fink fest.

Außerdem entwickele sich in Europa ein ähnliches Sozialsystem: Immer mehr Länder finanzieren Soziales sowohl durch Steuern, wie schon lange in Skandinavien üblich, als auch nach dem deutschen Modell durch Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. „Die Länder entwickeln unabhängig voneinander ein System der Mischfinanzierung“, sagt Fink.

Grundsätzlich anders sei die Situation in den USA: Die Länder der EU wenden rund 30 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Sozialausgaben auf, die USA nur 24 Prozent. Sechs Prozent Unterschied mit weitreichenden Folgen, belegt Fink: Fast ein Drittel der Jugendlichen und der Armen haben keine Krankenversicherung. 17 Prozent der Amerikaner leben auch nach der Umverteilung durch Steuern und Transferzahlungen unterhalb der Armutsgrenze – in Europa sind es 9,4 Prozent. Und während in den USA 500 von 100.000 Erwachsenen im Gefängnis sitzen, sind es in Europa nur 80. „Daher können die USA kein Vorbild für uns sein“, sagt Fink.

In den Genuss der europäischen Sozialmilliarden kommen vor allem Rentner. Für sie wird ein Achtel des Sozialprodukts ausgegeben. Zum Vergleich: Familien und Arbeitslose kosten die EU-Länder kaum mehr als 2 Prozent. COSIMA SCHMITT