Industrie unterfordert sich selbst

Das Interesse an sparsameren Modellen wird zu wenig berücksichtigt

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Der neue Spitzenreiter der Auto-Umweltliste des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ist der alte: Der VW Lupo 3L TDI. Der VCD wertet das nicht gerade als gutes Zeichen. Immerhin hatten auch andere deutsche Firmen, etwa Daimler Benz und BMW, auf dem Autogipfel 1995 ein Drei-Liter-Auto bis zum Jahr 2000 angekündigt. Doch es hat sich nicht materialisiert. „Das ist kein Ruhmesblatt“, urteilte daher VCD-Geschäftsführer Dirk Flege gestern bei der Vorstellung der neuen Auto-Umweltliste in Berlin.

Hinter dem Lupo kommt lange erstmal nichts. Die drei japanischen Modelle von Toyota und Daihatsu, die dem Lupo in der Rangliste folgen, verbrauchen deutlich mehr Sprit – sie stoßen so die Hälfte mehr Treibhausgase aus als der kleine Volkswagen. Auch der Smart, den der Lupo vor einem Jahr vom Spitzenplatz verdrängte, verbraucht 4,8 Liter Super-Benzin. Weil er relativ laut ist und schlechtere Schadstoffwerte hat, wurde er inzwischen sogar auf Platz sechs zurückgedrängt.

Im Lupo steckt eine Menge innovativer Technik. Für ihn wurden ein besonders kleiner Dieselmotor und eine Sprit sparende Automatik entwickelt und 150 Kilo Gewicht durch Leichtmetalle eingespart. Doch diese Ausnahmetechnik macht den kleinen Lupo 27.400 Mark teuer. Der dahinter platzierte Toyota Yaris kostet bloß 20.000 Mark, der viertplatzierte Daihatsu Cuore ist sogar nur etwa halb so teuer wie der Lupo.

Noch immer ist das Drei-Liter-Auto damit ein Nischenprodukt. Zwar verkaufte sich der Lupo im ersten Halbjahr 23.000-mal – etwas mehr als der Smart. Aber nur jeder Zehnte entschied sich für die Drei-Liter-Version. Der Rest nahm die normale Version, die ab knapp 19.000 Mark zu haben ist. Und die ist nicht einmal mehr unter den Top Ten.

Dieser Preisunterschied gab offenbar auch dem VCD zu denken. Erstmals stellte der Verkehrsclub eine „Preis-Liste“ zur Umweltliste. Dort wurden die Fahrzeuge der besten Kategorie verglichen. Ergebnis: Ein Lupo 3L ist erst wirtschaftlich gegenüber seinen Öko-Konkurrenten ab einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern über 5 Jahre, wenn der Spritpreis auf 2,10 DM für Diesel und 2,55 DM für Superbenzin steigt. Für Vielfahrer kann sich der teurere Lupo also rentieren. Andere müssen sich fragen, ob sie ihr Geld nicht lieber in Wärmeschutzfenster, Spar-Kühlschränke oder Ökostrom stecken sollten.

Jenseits des Lupo findet man durchaus eine Menge Bewegung auf den VCD-Listen. Von den insgesamt 30 herausgestellten Autos waren bloß acht schon vor zwei Jahren auf der Liste. Hier wird heftig gekämpft. Allerdings noch nicht mit überzeugenden Ergebnissen: Der VCD fand überhaupt nur elf Modelle, die weniger als fünf Liter verbrauchen.

Für den VCD ist das ein großes Versäumnis der Politik. Die mit der Autoindustrie ausgehandelte Selbstverpflichtung, ab 2008 nur noch Autos zu bauen, deren Kohlendioxid-Ausstoß weniger als 140 Gramm pro gefahrenen Kilometer beträgt, sei „keine angemessene Herausforderung für die Industrie“, frotzelt Gerd Lottsiepen, Autor der VCD-Liste.

Denn noch immer verbrauchen die Autos viel zu viel. Der Durchschnittsverbrauch der Neuwagen sank in den vergangenen zehn Jahren gerade mal von 8,7 auf 7,4 Liter pro 100 Kilometer. Und dabei sind Klimaanlagen, die bis zu 1,8 Liter schlucken, nicht mal einberechnet. Auch die modischen Mini-Vans, die durchweg mehr verbrauchen als etwa Kombis, sind nicht berücksichtigt. Außerdem nimmt der Verkehr ständig zu. So kommt es, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in zehn Jahren sogar noch um elf Prozent zugenommen hat. Sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission halten den Verkehr für das größte Klimaproblem.

Der Lupo ist immer noch ein Nischenprodukt – aufgrund seines Preises

Der VCD glaubt nicht daran, dass die Ökosteuer – so gering, wie sie ist – genügend Lenkungswirkung entfaltet. Deshalb fordert der Club einen scharfen Grenzwert für den Kohlendioxidausstoß: Ab 2005 soll kein Neuwagen mehr als 120 Gramm pro Kilometer ausstoßen, das entspricht einem Verbrauch von 4,6 Liter Diesel oder 5,2 Liter Benzin. Auf alle Autos, die mehr verbrauchen, soll nach dem Willen des VCD eine Strafsteuer auf die Kfz-Steuer draufgeschlagen werden. Schließlich sei der durch CO2 ausgelöste Treibhauseffekt das „nach einhelliger Forschermeinung“ derzeit drängendste Umweltproblem.

Neben der Top Ten, die aus nahe liegenden Gründen fast nur aus Kleinwagen besteht, hat der VCD noch zwei weitere Kategorien gelistet: die besten zehn Kompaktwagen und die besten zehn Familienautos. Schließlich braucht mancher auch ein größeres Auto. Das beste Familienauto wurde dieses Mal der Ford Focus Ambiente Turnier, bester Kompaktwagen der Seat León Stella. Zweiter in dieser Klasse ist der Audi A2. Für den A2 hat Audi bereits eine neue Version angekündigt, in die der Drei-Liter-Motor des Lupo eingebaut werden soll. Dann könnte der leicht gebaute A2 aufgrund höherer Windschlüpfrigkeit sogar den Lupo abhängen. Und erstmals wäre ein Fahrzeug führend auf der Umweltliste, in dem vier Erwachsene bequem sitzen können, während in den Kofferraum sogar ein paar Kisten Wasser passen.

Und noch eine Innovation ist in Gang gekommen, gegen die sich die deutsche Autoindustrie bislang noch sträubt: der Diesel-Partikel-Filter. Peugeot will ihn noch dieses Jahr serienmäßig in seinen 607er HDI Diesel integrieren. Die Rußpartikel sind bislang noch das große Ökoproblem von Dieselmotoren, denn sie machen ihre Abgase rund achtzehnmal krebserregender als die eines Benziners. Das ermittelte das Umweltbundesamt, das seither den Partikelfilter fordert. Mit diesem Partikelfilter erzeugt die große Peugeot-Limosine nur ein Viertel des Rußes, den der kleine Lupo ausstößt. „Mit einem Partikelfilter würde der Lupo wirklich Maßstäbe setzen“, sagt Lottsiepen. Dabei koste so ein Filter nur einige 100 Mark. Gerade in Deutschland wäre er aber mehr als nötig: Nach den neuesten Zahlen der Automobilindustrie werden inzwischen drei von zehn Autos in Dieselversionen verkauft.

Neue Antriebstechniken spielen in der Auto-Umweltliste des VCD noch keine große Rolle. Allein ein paar Erdgas-Autos von Fiat fanden Berücksichtigung. Wasserstoff-Autos, die jüngst bei den Grünen heftig diskutiert wurden, sind noch Zukunftsmusik. Zunächst kommt es darauf an, die alten Verbrennungsmotoren weiter zu optimieren, urteilt der VCD. Und hier könnte die deutsche Industrie wieder ins Hintertreffen geraten, warnt VCD-Geschäftsführer Flege. „Der Wunsch der Verbraucher nach sparsameren Modellen wird von der Industrie noch nicht genug aufgenommen.“

Die Liste ist anzufordern gegen 5 DM in Briefmarken beim VCD, Postfach 170 160, 53027 Bonn. Der VCD im Internet: www.vcd.org