Weiße Kunstmauer im Schwarzbau?

■ Wie ein Schildbürgerstreich kommt die Diskussion um das Sol Le Witt Kunstwerk auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke daher

Weißer Betonstein, drei Spitzen – so ragt das Kunstwerk auf dem äußersten Teerhofzipfel auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke der Sonne entgegen. „Da kommt bestimmt noch was oben drauf, das kann ja noch gar nicht fertig sein“, schätzt ein Passant. Doch, es ist fertig. Fix und fertig. Sogar der Bauzaun, der bis vor Kurzem noch anderes vermuten ließ, ist mittlerweile verschwunden. Das Bauwerk hat eine diskussionsreiche Geschichte hinter sich, die auch jetzt, nach der Vollendung, nicht ganz abgeschlossen ist – jedenfalls wenn es nach dem Beirat in der Neustadt geht.

Schon zum zweiten Mal steht die Künstlermauer an ihrem Platz auf dem Teerhofzipfel. Verantwortlich für den Dreispitz ist der amerikanische Künstler Sol LeWitt. Der stellte 1994 in der Weserburg aus und entwarf das Bauwerk auf besondere Anfrage der Museumsleitung – nur für die Dauer der Ausstellung. „Das Ding war damals aus Ytong-Stein gebaut, also nicht winterfest“, erinnert sich Thomas Deecke, Direktor der Weserburg. Es war aber auch nie geplant, das Kunstwerk fest und dauerhaft auf der Brücke zu etablieren. LeWitt war jedoch so von seiner eigenen Arbeit fasziniert, dass er die Mauer dem Museum schenken wollte, wenn die Leitung das Projekt mit festem Stein umsetzen würde. Der Förderkreis des Museums brachte die 40.000 Mark für Steine, Mörtel und die Maurerarbeiten alleine auf. Die Stadt beteiligte sich nicht finanziell an der Umsetzung. Trotzdem gibt es Probleme.

Der Beirat Neustadt konnte sich damals an besagter Stelle vor der Weserburg auch gut eine Art Boje mit Bremer Wappen vorstellen. Es gab eine Pattsituation, die von Bringfriede Kahrs, ehemalige Senatorin für Kultur (SPD), entschieden wurde. Das Ergebnis steht jetzt auf der Weserbrücke. „Das hätten die uns von der Weserburg ja mal sagen können. Der Ortsbeirat wurde damals von der Entscheidung nicht informiert“, ist Gudrun Junghans, stellvertretende Ortsamtsleiterin der Neustadt, noch heute verärgert. Gar nicht wahr, ärgert sich Deecke über diesen Vorwurf: „Es wurde an alle ein Brief mit der Information geschickt, dass das Le Witt-Kunstwerk gebaut wird. Hoffentlich hat der Ortsbeirat den bald wiedergefunden.“

Zu einer Art Schildbürgerstreich wurde die Situation dann Anfang der Woche. Ein Überprüfer von der Bauordnung sollte an dem Kunstwerk Maß nehmen. Bei „normalen“ Bauwerken gilt nämlich, dass bei einer Höhe von mehr als vier Metern eine besondere Baugenehmigung erteilt werden muss. „Ich denke mal, dass der Ortsbeirat diese Vermessung angestrengt hat. Und zugegeben, das Bauwerk ist ein paar Zentimeter höher, aber das ist doch Erbsenzählerei“, sagt dazu Rose Pfister, Referentin für Kunst im öffentlichen Raum. Das Ergebnis der Vermessung sei jedoch egal, da der Bausenator schon 1996 der Errichtung zugestimmt hätte. Und das käme einer Baugenehmigung gleich.

Ob das Werk nicht doch genehmigungspflichtig ist, fragt sich unterdessen Holger Bruns, Pressesprecher der Baubehörde. Bereits bei der ersten Mauer im Rahmen der LeWitt-Ausstellung habe es ein Genehmigungsverfahren vom Bauordnungsamt gegeben. „Da das Ding aber nicht dauerhaft dort stehen sollte, wurde das nie beendet. Jetzt ist es aber wieder da – anscheinend ohne Baugenehmigung“, erläutert er. Die weiße Mauer im Schwarzbau? Diesem Verdacht will er jetzt noch mal nachgehen. Auf ein Verschwinden der Mauer kann der Beirat dennoch kaum hoffen. Bruns: „Die Abrissbirne kommt wirklich nur in ganz extremen Fällen.“

Für Museumsdirektor Deecke ist das Thema gegessen. Er versichert: „Das Ganze wurde statisch untersucht, es gibt eine Baugenehmigung und Kinder können, seit das Kunstwerk einen zusätzlichen Sockel bekommen hat, auch nicht mehr darauf rumklettern und eventuell in die Weser plumpsen.“ Dass der Ortsbeirat das Thema in einer Sitzung demnächst noch mal diskutieren will, interessiere ihn nicht. „Ich habe Verständnis, wenn jemandem das nicht gefällt, weil er sich noch nicht mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt hat. Es kann aber nicht Aufgabe des Beirats sein, über Geschmack zu streiten“, fügt Deecke hinzu.

Und so wird das Kunstwerk wohl auch weiterhin auf der Brücke mit seinen weißen Spitzen in die Sonne ragen. Egal, wer sich aufregt. Sogar Graffitti-Sprayer haben gegen das Mauerwerk keine Chance – heißt es. Das wurde nämlich für ein paar hundert Mark chemisch behandelt, so dass sich die Sprühfarbe mit warmem Wasser einfach wieder abwaschen lässt. Deecke: „Für einen Sprayer ist schließlich nichts frustrierender, als wenn er seinen Kumpels sein Werk am nächsten Tag nicht präsentieren kann.“

Imke Gloyer