Der Aktenentstauber

Thomas Giesen, Datenschutzbeauftragter Sachsens, brachte Justizminister Heitmann in Bedrängnis

„Ich habe nicht den Rücktritt Heitmanns zu fordern – das ist nicht mein Job“, sagt Thomas Giesen und holt in der gleichen Sekunde tief Luft, um zu sagen, was denn sehr wohl sein Job sei: „Ich überprüfe unseren Justizminister noch wachsamer als vorher.“

Dass er genau hinschaut, wenn andere klüngeln – es mag auch daran liegen, dass er von außerhalb kommt: Der 53-jährige, der sich selbst als „links-rheinischer Katholik“ beschreibt, wuchs als jüngstes von neun Kindern in Koblenz auf, studierte in Bonn Jura und Philosophie und gründete dann in Koblenz eine Rechtsanwaltspraxis. 1990 kam er nach Sachsen, Ende 1991 wurde er zum Datenschutzbeautragten gewählt, 1997 in seinem Amt bestätigt.

Sachsens oberster Datenschützer ist bei den Politikern im Freistaat nicht sehr beliebt. Denn er ist bekannt dafür, keinem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Prominenz beeindruckt ihn wenig. Und ein gemeinsames Parteibuch – Giesen ist CDUler – erst recht nicht. Er gilt als jemand, der Affären ins Rollen bringt. Der sich einmischt, auch über die sächsischen Landesgrenzen hinaus. Und Gehör findet.

Zum Beispiel in Sachsen, wo er bei einem Verfahren gegen einen Görlitzer Lokalpolitiker Justizminister Heitmann einen allzu laxen Umgang mit Ermittlungsinterna vorwarf. In Dresden zog er vor Gericht, weil er bei der Neubesetzung eines Lehrstuhls an der Universität Leipzig den Datenschutz missachtet sah.

Oder bei der Bundesregierung: Im Juli äußerte Giesen rechtliche Bedenken gegen den Einsatz von Burkhard Hirsch (FDP) als Sonderermittler zu den verschwundenen Akten im Kanzleramt. Hirsch sei eine Privatperson und hätte keinen Zugang zu Unterlagen des Kanzleramts bekommen dürfen, argumentierte Giesen.

Einen Profilneurotiker schimpfen ihn nur die, die gerade allzu vertraulich von Parteifreund zu Parteifreund gemauschelt haben. Denn der derzeit prominenteste Datenschützer Deutschlands ficht vor allem mit einer Waffe: dem Gesetzbuch. „Im Übrigen bin ich gar nicht der knallharte Rechercheur, als denn mich jetzt manche Medien darstellen. Ich habe nur öffentlich gemacht, was im Ministerium ohnehin jeder wusste.“ Justizminster Heitmann etwa habe per Hand in den Akten vermerkt, dass er vertrauliche Informationen weitergereicht habe.

Giesen holt noch einmal tief Luft, sagt mit fester Stimme, dass er natürlich weiterhin genau hinschauen werde. Pflichtbewusstsein prägt ihn. Und eine unbezwingbare Neugierde für handgeschriebene Notizen auf der Akte. COSIMA SCHMITT