Licht im Beratungsdschungel

Professionelle Patienteninformationsstellen wollen bei der Suche nach dem richtigen Arzt helfen. Viele private Dienste bieten Hilfe allerdings nur gegen hohe Gebühren an, während Ärzte für den Eintrag in die Kartei zahlen müssen

von KIM KINDERMANN

Die Hand streckt sie einem nur zögerlich entgegen, fast so, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Seit ihrem sechsten Lebensjahr leidet die heute 30-Jährige unter Hyperhidrose. Gemeint ist das krankhafte Schwitzen an den Händen, den Füßen und unter den Achseln. „Es war schrecklich“, sagt Alexandra B. heute, „ich mochte niemanden mehr die Hand geben. Vor allem bei Vorstellungsgesprächen oder wenn ich jemanden neu kennen lernte, da war es besonders schlimm.“

Und keiner, so schien es, konnte Alexandra helfen. „Mein Hausarzt meinte, das Schwitzen würde aufhören, sobald ich erwachsen werde. Andere Ärzte zuckten nur mit den Schultern, und einer schickte mich zum Psychiater.“ Manchmal schwitzte sie so stark, dass der Schweiß wie Wasser auf den Boden tropfte. Und dass alles ganz umsonst, wie Alexandra heute weiß, denn krankhaftes Schwitzen ist, sobald die Krankheit einmal richtig diagnostiziert wurde, heilbar. Aber davon erfuhr sie nur durch einen glücklichen Zufall.

So wie Alexandra B. geht es vielen Patienten, auch dann, wenn sie nicht an einer seltenen Krankheit leiden. Für die meisten ist die Arztsuche eine Glückssache. Das soll jetzt allerdings anders werden: Ging man früher auf Empfehlung eines Freundes zum Arzt, wollen heute professionell organisierte Patientenberatungsstellen bei der Suche nach dem richtigen Arzt helfen.

Doch wer meint, damit seine Sorgen los zu sein, der täuscht: „Oft verstecken sich hinter den Beratungsstellen ganz kommerzielle Interessen“, warnt Chistoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Viele private Dienste bieten ihre Informationen häufig nur gegen hohe Telefon- oder über eine monatliche Mitgliedsgebühr an. Oder aber hinter solchen Diensten stehen Ärzte, die für die Aufnahme in die Kartei zahlen. Bei anderen stecken kapitalkräftige Konzerne dahinter, die mit solch einem Kundenservice lediglich ihre Marktchancen verbessern wollen.“ Ein Dschungel an Informationen tut sich auf, den zu lichten selbst schon wieder einer professionellen Beratung bedarf.

Denn wie gut die Qualität und Objektivität solche Patientenberatungsdienste ist, wissen die wenigsten. Bei Diensten wie zum Beispiel „Arztpartner“ und „Arztauskunft“ zahlen die Ärzte eine monatliche Grundgebühr, um im Verzeichnis aufgeführt zu werden. Ein durchaus gängige Praxis, unter der dann aber sowohl die Objektivität als auch die Vollständigkeit der Empfehlungen leiden, selbst wenn etwa Arztauskunft angibt, 140.000 Ärzte verzeichnet zu haben.

Die Patientenberatung „Infomed“ hingegen verfügt zwar über ein weit gefasstes Adressenverzeichnis, das mit Hilfe der Hamburger Ärztekammer erstellt wurde, problematisch bei Infomed aber ist die Tatsache, dass einige Krankenversicherungen den Dienst mitfinanzieren und so die Gefahr besteht, eine Klinik empfohlen zu bekommen, die mit einer der Kassen einen Sondervertrag abgeschlossen hat. Immerhin spricht für Infomed, dass die Ärzte nicht für ihre Auflistung zahlen müssen.

Ein anderer Beratungsdienst, der ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, ist „Comed“. Zwar soll sich Comed ausschließlich über Mitgliederbeiträge finanzieren, aber dennoch erhält der Dienst die Unterstützung einer internationalen Versicherungsgesellschaft. Kritiker wie Christoph Kranich fürchten deshalb, dass der Verein weniger dem Patienteninteresse als vielmehr der Versicherung dient und diese mit Patientenadressen versorgt.

Darüber hinaus sind die meisten Dienste oft auch teuer. Der Monatsbeitrag bei Comed etwa beträgt für Einzelpersonen 8 Mark und für Familien sogar 12 Mark. Beim Beratungsdienst „topmedic“ muss man zwar keine Mitgliedsbeiträge, dafür aber Anrufgebühren bezahlen: pro Minute immerhin 2,40 Mark. Wobei topmedic dann auch noch bei den Ärzten mit einer zusätzlichen Gebühr Kasse macht.

Besser und deutlich billiger sind die Beratungsstellen der Ärztekammern. Schließlich verfügen sie als Einzige über ein aktuelles Verzeichnis der in Deutschland niedergelassenen Ärzte, und ein Anruf kostet nicht mehr als die normale Telefongebühr. Allerdings erhält der Anrufer dort Informationen, die meist nicht über die spärliche Information des Telefonbuchs oder der Gelben Seiten hinausgehen.

Oft nennen die Kammern nur die Zusatzqualifikation eines Arztes, wie etwa Akupunktur oder Homöopathie. Lediglich die Ärztekammern Bremen, Westfalen-Lippe und Rheinland-Pfalz sowie die Kassenärztliche Vereinigung Berlin geben Auskunft über neue Therapieverfahren und verschicken Infomaterial zu verschiedenen Erkrankungen.

Anders dagegen ist es bei der „Patienteninformation für Naturheilkunde“ in Berlin. Hier erhalten die Patienten eine umfassende Beratung sowie eine Liste gleich mehrerer in Frage kommender Ärzte. Und das Positive: Die Information ist kostenlos. Auch die Ärzte bezahlen nichts für den Eintrag in die Kartei. „Wir finanzieren uns allein über Spenden“, betont Bernhard Harrer, der den Informationsdienst vor fünf Jahren mit ins Leben gerufen hat. Insgesamt 6.000 Adressen von Ärzten mit der Zusatzbezeichnung Naturheilkunde stehen mittlerweile zur Verfügung sowie eine eigene Datenbank, in der Patienten eine Recherche in Auftrag geben können. „Unser Ziel ist es, den Patienten die unterschiedlichen Behandlungsformen verständlich zu machen und ihnen dazu alle nötigen Informationen zukommen zu lassen. Dabei steht bei unserem Infoservice immer die ganzheitliche Beratung im Vordergrund, weniger die Nennung einzelner Adressen“, erklärt Harrer das Ziel des gemeinnützigen Vereins. Doch auch der Berliner Verein nennt Ärzte, deren Angaben er nicht selbst überprüft.

Kurzum, in Sachen Patientenberatung besteht noch immer Handlungsbedarf, denn erst wenn eine Beratungsstelle völlig unabhängig von Interessenvertretungen ist, macht sie wirklich Sinn. Und zu guter Letzt spielt bei der Suche nach dem richtigen Arzt schließlich auch die persönliche Meinung eine ganz entscheidende Rolle: Denn was hilft die beste Beratung, wenn Patient und Arzt keinen guten Draht zueinander bekommen.