Charaktere für den Mainstream

Nach Freestyle-Jugend, Stagnation und Sinnkrise hat MC Rene einen Neuanfang als gereifter Rapper und Viva-Moderator gewagt. Und den Weg nach Berlin gefunden. Ein neues Album ist auch in Arbeit – mit Geschichten, aber ohne Fila-Klamotten

von THOMAS WINKLER

Er hat einen neuen Hut. Der neue Hut hat 10 Dollar gekostet und wurde vorgestern in Los Angeles erworben. Der Hut ist schlabbrig und hellblau. Es ist ein geschmackloser Hut. Geschmacklose Hüte sind das Markenzeichen von MC Rene. Ansonsten ist er noch dafür bekannt, eine Menge Namen zu haben, vor vielen, vielen Jahren der beste Freestyle-Rapper der Republik gewesen zu sein und hoch gefährdet, irgendwann einmal als der Andy Möller des deutschen HipHop in die Geschichte der populären Musik einzugehen.

„Das ewige Talent“, sagt er, „das hat mich schon angekotzt.“ Vorerst besteht diese Gefahr allerdings nicht mehr. Nach seinem ersten, viel beachteten, aber gefloppten Album vor fünf Jahren, einer langen Pause, in der er sich mit Supermarktjobs über Wasser hielt, Ärger mit seinem alten Label und einer mittelschweren Sinnkrise hat Rene El-Khazraje alias Reen alias MC MG alias Doktor Watson Lousen ein neues, sein zweites Album namens „Ein Album namens Bernd“ herausgebracht und ist seit Februar Moderator der Viva-HipHop-Sendung „Raw Deluxe“.

Als solcher kommt er gerade aus Los Angeles zurück, wo er mit De La Soul plaudern durfte. Außerdem hat es ihn unlängst nach Berlin verschlagen, denn: „Hier finde ich ein besseres Umfeld“, anders als in Köln, wo sie bei seinem alten Label MZEE immer dachten, „ich wäre ewig der 16-jährige MC Rene“.

Sein großer Vorteil nun ist es, dass er als DeutschHop-Veteran gilt und trotzdem gerade mal 23 Jahre alt ist. „Ich habe eine Menge Erfahrungen gemacht, die die Acts da draußen erst alle noch machen müssen.“ Also heißt es, nun weitere hinzuzufügen.

Die sammelt er momentan vor allem bei VIVA, wo er sich „eher als Entertainer denn als Moderator“ sieht. Dazu kam er, weil er beim Casting einfach das gemacht hat, „was ich auch sonst immer mache: labern“. Und das sollte man als Freestyle-Rapper wohl auch können. Mit der HipHop-Karriere allerdings läuft es noch nicht wieder so rund wie gehofft. Zwar sind seine Konzerte gut besucht, aber „Ein Album namens Bernd“ liegt bislang noch bleischwer in den Regalen und bekam, gelinde gesagt, wenig begeisterte Kritiken. In Spex fielen gar Worte wie „verfickter Kerl“, „fick-dich-doch-selbst“ und „verdammt hetero“. Da habe wohl jemand was gründlich missverstanden, glaubt Rene. Tatsächlich hat er auf „Bernd“ etwas gewagt, was ausgerechnet im HipHop keine Tradition hat. Das Genre geht von der Grundvoraussetzung aus, dass der MC ausschließlich von sich rappt, sich selbst jederzeit in Verhältnis zu HipHop setzt und gefälligst authentisch zu sein hat. Das gilt gerade für den Freestyle, mit dem der Halbmarokkaner Rene als 14-Jähriger begann.

Auf „Bernd“ aber schlüpft Rene in Rollen und erzählt Geschichten. Diese drehen sich hauptsächlich um Frauen, um das „Au-Pair-Mädchen aus Lettland“ und die mit den Maßen „90-60-90“. Vor allem letzterer Titel hat Proteste ausgelöst, weil in ihm ein Groupie beschrieben wird, das so dämlich ist, sich nach dem One-Night-Stand in den Star zu verlieben. Dass der Star nicht identisch ist mit Rene, dass ihm die Geschichte von einer Frau erzählt wurde, führt Rene zu seiner Verteidigung an, und dass er „mehr Themen drauf hat als die ganzen anderen Rapper, die nur übers Saufen, Kiffen und Rappen labern können“.

Momentan plant Rene ein Konzept-Album, „das eine ganze Geschichte erzählen“ soll. Ob das allerdings bei seiner aktuellen Plattenfirma erscheinen wird, ist mehr als fraglich. Die Wege werden sich wohl trennen, was nicht nur am kommerziellen Misserfolg von „Bernd“ liegt. Das Label heißt Fila Records und wird finanziert von der gleichnamigen Sportartikelfirma, die sich davon die beliebten Synergieeffekte verspricht. „Die wollten, dass ich ihre Klamotten anziehe“, sagt Rene und schaut dann an sich runter auf seine Nike-Sneakers. Rene grinst: „Charaktere machen HipHop für den Mainstream greifbar.“ Kein Zweifel, dass er glaubt, demnächst einer dieser Charaktere zu werden.

MC Rene: „Ein Album namens Bernd“ (Fila Records/ BMG)