Plötzlicher Geldsegen für Russlands Staatsdiener

Präsident Putin erhöht Beamtengehälter und Soldzahlungen. Verteidigungsminister beharrt auf These von Fremdverschulden bei Kursk-Unglück

MOSKAU taz ■ Präsident Wladimir Putin hat per Dekret die Gehälter und Löhne aller Staatsbediensteten erhöht. Ab Dezember erhalten die notorisch unterbezahlten russischen Beamten einen Zuschlag von 20 Prozent, auch der Sold der Militärs und Wehrdienstleistenden soll um ein Fünftel aufgestockt werden.

Die Erhöhung der Bezüge im Staatsdienst war lange im Gespräch. Die kärgliche staatliche Aufwandsvergütung galt als einer der Hauptgründe, warum Korruption fast in allen Bereichen des öffentlichen Lebens anzutrefffen war. Ohne Motivationshilfen lässt sich in Russland nur wenig in Bewegung setzen. Putins Zuschlag wird an diesem Unwesen nur wenig ändern, da das Lohnniveau sehr niedrig ist.

Es ist kein Zufall, dass der Kremlchef gerade jetzt eine Anhebung verfügt. Noch hat sich die Kritik daran, wie Präsident und Regierung die Havarie des U-Bootes „Kursk“ gehandhabt haben, nicht gelegt. Inzwischen leitete die Militärstaatsanwaltschaft in Murmansk Untersuchungen ein, ohne offen zu legen, in welche Richtung die Ermittlungen laufen. Verteidigungsminister Igor Sergejew hielt auch gestern die Version aufrecht, ein ausländisches U-Boot hätte eine Kollision verursacht.

Auch das Gegenteil ist noch nicht bewiesen. Warum die russischen Militärs vornehmlich die Version eines Fremdverschuldens favorisieren, ist durchsichtig. Sie träfe nicht nur keine Schuld, auch das inzwischen verwaschene Feindbild nähme endlich wieder klare Konturen an. Die Tageszeitung Nowije Iswestija berichtet unterdessen über massive Versuche der Militärs, die norwegische Rettungsmannschaft zu behindern. Bewusst seien unvollständige Informationen geliefert worden, die schon den Charakter einer „gezielten Desinformation“ gehabt hätten, meinte der norwegische Vizeadmiral Einar Skorgen. Man hätte sogar mit dem Abbruch der Aktion drohen müssen.

Ähnlich entsetzt äußerte sich auch der Pilot der englischen Rettungskapsel LR5, Paddy Haron: „Wir waren verärgert, als die Russen behaupteten, sie hätten alles unternommen, um die Besatzung zu retten.“ Kaum hätten die Taucher die Notausstiegsluke geöffnet, sei entschieden worden, „alle sind umgekommen und es macht keinen Sinn, uns einzusetzen“. Die Verzögerungstaktik der Militärs scheint offenkundig. „Wenn noch jemand am Leben war, starb er, während wir rumsaßen.“

Massive Vorwürfe, die die russische Militärstaatsanwaltschaft prüfen müsste. Stattdessen richten sich die Energien darauf, die wahren Gründe der Katastrophe zu vertuschen. Dazu passt eine neue Version, die Geheimdienstchef Nikolai Petruschew in die Welt setzte. Er richtete die Spekulationen auf eine kaukasische Fährte. Demnach befanden sich zwei Zivilisten, Raketenexperten aus Dagestan, an Bord. Allerdings gäbe es bisher keine Anhaltspunkte, dass die Fachleute des Rüstungsbetriebs Dagdisel mit dem Unglück in Verbindung stünden. Die antikaukasische Stimmung wird dafür sorgen, dass diese Erklärung ihre primitive Absicht nicht verfehlt.

KLAUS-HELGE DONATH