„Wir vertrauen einander“

Die Hamburger Band Stella über ihr neues Album, interne Streitigkeiten und das Tragen von T-Shirts im Indie-Rock-Bereich  ■ Von Felix Bayer

Zwei Gegensatzpaare nicht mehr gegensätzlich scheinen zu lassen – mit diesem Vorsatz war die Hamburger Band Stella vor drei Jahren angetreten: Politische Haltung sollte mit unterhaltender Musik ebenso zusammen gehen wie Rocksounds mit elektronischen Instrumenten. Nicht mehr spalten also; aber versöhnlerisch wollten Stella auch nie wirken. Das Ergebnis war, dass sich die Band in Interviews stets stritt.

Das kommt auch heute noch vor. Die Sängerin Elena Lange erzählt von Reaktionen auf ihre Texte: „Manche finden die Themen so konkret, andere finden sie eher abs-trakt. Die Texte nennen das Kind zwar beim Namen, aber wir sind ja keine Politband. Fällt euch ein Vergleich ein“, fragt sie ihre drei Mitmusiker, „wer so mit politischen Texten umgeht? Patti Smith vielleicht?“ Thies Mynther stimmt zu, aber Mense Reents hasst Patti Smith. „Ich weiß, dass du die hasst, und es ist ja auch logisch, was man daran hassen kann“, lenkt Thies ein, „aber es ist doch interessant, wie die Ho-Chi-Minh und amerikanische Freiheitskämpfer verbindet mit Rock-Pathos und so Schamanen-Gesten. Was das für ein komisches Konglomerat ist.“ Mense überzeugt diese Argumentation überhaupt nicht: „Ein Schrotthaufen ist das.“

„Irgendwann ermüden ja auch diese ständigen Kämpfe“, erklärt Elena Lange, warum solche Streitigkeiten selten und vor allem weniger grundsätzlich geworden sind. „Wir vertrauen einander mehr in unseren Urteilen“, fügt Thies Mynther hinzu, „haben Respekt vor anderen Meinungen.“ Keine übertriebene Toleranz lassen Stella aber gegenüber ihren politischen Feinden walten. Zwei Lieder auf dem neuen Album Finger On The Trigger For The Years To Come beschäftigen sich ausdrücklich mit den letztjährigen Bombenangriffen auf Jugoslawien. Elenas Mutter stammt von dort: „Das mag pervers klingen, aber der Krieg hat mir ein Thema gegeben, an dem ich kreativ arbeiten konnte. Da musste ich gar nicht nachdenken, worüber ich schreiben könnte, weil mich das so beschäftigt hat.“ „Belle Grade“ ist eine leicht kitschige Ode an die jugoslawische Hauptstadt, „The Jogging Man“ rechnet mit Außenminister Fischer ab. „Bewusst herablassend“ meint Elena Lange dieses Stück, „ich versuche ein bisschen dafür zu sorgen, keine Illusionen in die Grünen oder in die SPD zu haben, sondern sich zu fragen: Was sind hier eigentlich für Interessen im Spiel? Es gab noch nie einen Krieg in der Weltgeschichte, der aus humanitären Gründen geführt wurde, und es wird auch keinen geben.“

Eine politische Platte ist Finger On The Trigger... also, aber eine unterhaltsame Pop-Platte zugleich. Beim ersten Album hatten Stella eine Verbindung zum '82er-Pop-Ansatz hergestellt, zum subversiven Einschmuggeln von politischen Inhalten im poppigen Gewand. Bodenständiger drückt es Stellas Bassist Hendrik Weber aus: „Der Wolf im Schafspelz.“ Geht dieses Experiment also weiter? „Ich finde das gar nicht experimentell“, meint Mense Reents, „sondern total logisch: So muss das bei uns sein, in dieser Konstellation von Leuten.“ Doch wo das Vorgängeralbum Extralife noch mehr behauptete, eine Pop-Platte zu sein, aber drängend nach New Wave klang, ist die neue Platte musikalisch zugleich variantenreicher und stimmiger. In den besten Momenten ist das moderne Popmusik, in der Hardrock-Gitarrenriffs ebenso Platz finden wie elegante R'n'B-Rhythmen.

Der Songtitel „Bad News Entertainment“ (mit einem Gastauftritt von Tocotronics Dirk von Lowtzow) könnte da als Motto dienen: Im Fernsehen schlechte Nachrichten, aber gerade daraus machen Stella Unterhaltung. Dass das als Entertainment funktioniert, liegt nicht zuletzt daran, dass Elena Langes Gesang sich nicht mehr auf schneidende Dringlichkeit beschränkt. „Die ersten Dinge, die ich im Kopf habe, sind eben keine klassischen New-Wave-Dreitonmelodien mehr, sondern eher so Schnörkel, wie ich sie im R'n'B gehört habe.“ Der ist schon lange eine musikalische Leidenschaft von Elena.

Aber können Sängerinnen wie Aaliyah hier als Role Models herangezogen werden? „Ich habe kein Problem damit, die Bedingungen, die Soul-Sängerinnen vorfinden, nicht vorzufinden“, sagt Elena Lange, „aber stylemäßig orientiere ich mich absolut am Soul. Natürlich habe ich nicht immer das Geld, um mich so zu stylen, aber der ganze T-Shirt-Tragen-Komplex im Indie-Bereich ist mir vollkommen fremd.“

Stella: “Finger On The Trigger For The Years To Come“ (L'Age D'Or/Zomba)