Sinnbekämpfungsmaßnahmen

■ Das Punk-HipHop-Festival „Hard Pop Days“ tourt durch sechs Städte – am Samstag wars im Sportpark Garbsen bei Hannover

Letztes Jahr röhrte sich Grönemeyer zum krönenden Abschluss des Hard Pop Days–Festivals am Bremer Unisee noch die Seele aus dem Leib: „Männer, tragen kurze Beine, essen gerne Schweine, hunzen gerne Reime, oh Mähähänner“ – oder so ähnlich, und auf der riesigen Bühnenleinwand zuckten heftig die Worte „Krieg“ und „Faust“, oh Mann. Für dieses Jahr haben sich die Hard Pop Days unter neuem Veranstalter wieder auf das hübsche Wörtchen hard mit weichem d zurückbesonnen. Nichts desto trotz enden sie relaxt, ganz ohne Krieg und Faust: „Die Ärzte“ erklären, dass sie die einzig mögliche Alternative zur EXPO sind, nicht zuletzt weil sie viel besser aussehen als die EXPO im allgemeinen und Birgit Breuel im besonderen, stimmt eigentlich.

Und zwei Stunden davor ordert die Bloodhound Gang zwei Zuhörer auf die Bühne, „es sollten hervorragende Schwimmer sein, also wohl besser Besucher aus dem Osten Deutschlands“, stülpen ihnen Badekappe und Taucherbrille über und beauftragen sie, bis zum Ende des Festivalgeländes zu „schwimmen“ auf den wogenden Händen der Fanmassen – die wedelten zu diesem Zeitpunkt auch schon reichlich. Dann erwähnten sie noch, dass man leider den Schlagzeuger auswechseln musste, weil der mit seiner deutschen Freundin geschlafen habe und jetzt fix und fertig sei. Will heißen: Beide Bands genießen einen Ruf als Experten für Ironie und Tiefsinnsbekämpfung, und dieser Ruf ist so gefestigt, dass er gar nicht mehr durch geistesblitzende Sprechakte neu dokumentiert werden müsse. Die Bloodhound Gang kann sogar auf ihre aus den Videoclips bekannte Wir-wissen-dass-wir-Scheiße-aussehen-Kostümierung im Stile von Fastfoodverkäufern oder Watschelohrentieren verzichten.

Beide Bandnamen dokumentieren, dass das Programm ganz im Unterschied zum ausgefeilten, experimentier- und entdeckungsfreudigen Hurricane-Festival in Scheeßel auf einschlägige Hausmannskost setzt. Rühmenswert aber ist, dass mitten zwischen den beiden Ulknudeln die „Fantastischen Vier“ plaziert wurden. Deren mutige Bekennerlyrik wirkt dann nur noch doofer als sonst: „Irgendwann müsst auch ihr euch fragen, wie weit ihr gehen wollt. Wenn ihr angekommen seid, dann sag ich euch hallo.“ Na klar, was allein schon Thomas D. alles durchmachen musste, ein fast haarloser Oberkörper und dann auch noch die Affaire mit Jenny Elvers ... – echtes Grenzgängertum. Zugegeben, der Sound von Fanta 4 ist mit seiner Mischung aus satten Grooves und filigranen Spielereien sehr schön – selbst bei eher mäßiger, brummiger Klangqualität während des ganzen Festivals.

„This is just a punkrock song“ von Bad Religion dauerte genau 1:43 Minuten, also vergleichsweise lang, und das Mitgröhlen der ganzen round-about-Twenty beweist, dass diese Band absolut alterslos und unvergänglich ist, so wie Goethe. Deshalb ähneln neue Songs den alten bis zur Verwechselbarkeit, was hier an dieser Stelle ein Lob ist.

Schwer frustrierend war aber eine Beobachtung beim Toilettenanstehen (25 Minuten, liebe Veranstalter!). Vier Reihen teilten sich vier Toiletten – aber ungleich: eine benutzte frech zwei Häuschen, zwei drängelten sich dafür um eines, und die wenigen, die diese bodenlose Ungerechtigkeit bemerkten, wechselten stumm über in die schnellere Schlange (ich auch). Und die Ausgeschmierten beschwerten sich nicht. Bei dieser mangelnden Sensibilität für soziale Gerechtigkeit wird es wohl doch nichts mehr mit dem Sozialismus.

Dafür auf anderer Ebene ein Erfolg: Der Sportpark liegt in einem schnieken Gewerbegebiet, und der Rasen grünt und gedeiht, als würde er vom Golfen träumen. Dies aalglatte Ambiente erwarb durch geschicktes Verteilen einschlägiger Verpackungswaren doch noch echten Festivalcharme. Und da es mittlerweile üblich ist, ganze Kinder- und Jugendzimmer zu Dokumentationszwecken ins Museum zu stellen, plädieren wir dafür, über dem ganzen buntbeklecksten Rasengelände ein Gebäude zu errichten und Museum dran zu schreiben. bk