Kritik prallt am Museum ab

 ■ Trotz erheblicher Kritik an der Gedenk-Ausstellung des Nazis und U-Boot-Bauers Hellmuth Walter sagte das Deutsche Schiffahrtsmuseum die Eröffnung nicht ab und weist Kritik zurück

Die umstrittene Ausstellung über den Nationalsozialisten und U-Boot-Bauer Hellmuth Walter ist am Samstag morgen - begleitet von kleinen Protesten - im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven eröffnet worden. Weder die Bitte der Vorsitzenden SPD-Bremerhaven Hilde Adolf, die Eröffnung abzusagen, noch das demonstrative Fernbleiben des Kulturdezernenten Wolfgang Weiß hatten die Ausstellungsmacher umgestimmt. Lediglich auf eine Ergänzung hatte man sich nach Intervention von Kultursenator Bernt Schulte (CDU) eingelassen: Eine Tafel klärt auf über „Technik und Ingenieure im Nationalsozialismus“, über den Eintritt Walters in die NSDAP 1931 und darüber, dass in seiner Firma mindestens 250 Zwangsarbeiter darbten.

Während vor der Tür fünf Friedensaktivisten ihre Transparente hochhalten (“Weder U-Boote noch Nazis“), hält der Ausstellungsverantwortliche Lars Scholl eine Eröffnungs- und Verteidigungsrede. Mehr als 150 Getreue sind ins Museum gekommen und stärken dem Museumsmitarbeiter am Ende mit demonstrativ langem Applaus den Rücken. Schon nach dem ersten Anruf der Bremer Historikerin Doris Kachulle, die vor zwei Wochen auf die NS-Verstrickung Walters hinwies, habe er sich entschlossen, eine Zusatztafel anzubringen, behauptet Scholl. Doch die Historikerin habe sich „verweigert, hier vor Ort mit uns zu reden“. Auf Grund der „Irritationen“, die ausgelöst wurden, habe er nicht vermocht, die geplante Veröffentlichung (“Hellmuth Walter [1900-1980]. Seine Unterseebote und ihre Hochleistungsantriebe“) rechtzeitig fertigzustellen. Er sei „lernfähig“ und „lernwillig“, aber der Vorwurf, hier werde Technik-Geschichte nicht in ihren historischen Kontext eingebunden sei „falsch“.

Einen Stock tiefer, in der kleinen Ausstellung, fällt als erstes das größte Foto auf: Eine sympathische Portraitaufnahme Walters, der am Samstag seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Kein Hinweis auf den Nationalsozialismus findet sich auf einer Tafel mit der ausführlichen Biografie. Stationen einer Karriere: Wann welcher Motor erfunden wurde. „1936: Heirat von Ingeborg Möller (5 Kinder)“ ,1945: Nach der Besetzung der Walter-Werke durch britische Truppen muss dort für die West-Alliierten weitergearbeitet werden“ „1950: Übersiedlung in die USA.“ Der Rest der Ausstellung: Technische Beschreibungen der Walter-Erfindungen, U-Boot-Modelle von Hobby-Bastlern. Ein kleines Walter-U-Boot taucht in einem Tank.

Drei alte Männer unterhalten sich lautstark über die Kritik an der Technik-Schau: „Jetzt hängen die sich an der Sache mit den Zwangsarbeitern auf“ - „Ja“ - „Die hatten es doch besser als unsere Bevölkerung zu Hause“ - Ja“ - „Und wer entschädigt uns für das, was wir durchgemacht haben?“ Eine Frau kommt auf Ausstellungsmacher Scholl zu: „Mich kribbelt es, wenn ich dass sehe“ lobt sie die Ausstellung, „und wenn ich dann daran denke, was der Russe gemacht hat ...“ Eine andere Frau spricht laut: „So eine kleine Ausstellung. Dafür die Aufregung?“ Ein alter U-Boot-Fahrer erklärt: „Für uns waren die Walter-U-Boote ein Hoffnungsschimmer“. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Grunenberg plädiert dafür, dass man den Neonazis erst einmal eines beibringen solle: „Disziplin“.

Die im letzten Moment aufgehängte Beschwichtigungs-Tafel wird viel gelesen. „Hellmuth Walter gehörte zu den Technikern, die - wohl aus beruflichem Ehrgeiz - dem NS-Regime bereitwillig gedient haben“, mutmaßt der Text. Walter habe „wie viele andere Industrie- und Wehrwirtschaftsführer“ von den Nazis profitiert, die ihm sowohl den Professorentitel als auch militärischen Orden verliehen hatten. „Ihm war es nicht gegeben“ dem Beispiel von Hitler-Kritikern zu folgen. Den meisten Gästen ist die Tafel ein Dorn im Auge. Andere hoffen hinter vorgehaltener Hand, „dass der Konflikt eine Diskussion auslöst, die das Schifffahrtsmuseum seit langem nötig hat.“

Vor einer der Ausstellungstafeln steht nachdenklich immer noch ein Mann, nachdem sich der Raum längst geleert hat. Extra aus den USA angereist sei er für die Ausstellung, erzählt er mit amerikanischem Akzent. Eigentlich hätte er ein Grußwort sprechen sollen. Doch das Museum habe das im letzten Moment nicht mehr gewollt. Er ist einer der Söhne von Hellmuth Walter.

Ob die Medienberichte seinem Vater Unrecht täten? Schweigen. „Mein Vater lebte zwei Leben“, sagt er dann, „vor 1950 und nach 1950“. Über Kriegserfahrungen habe er nie geredet. Ob er vor seiner Reise nach Deutschland gewusst habe, wie verstrickt sein Vater in die NS-Weltanschauung war? „Nein“ sagt er traurig. Das hat er erst jetzt aus den Medien erfahren.

Christoph Dowe