Cops vor der Kamera

Jutta Wegner ist Filmberaterin bei der Polizei und erklärt Drehbuchautoren und Krimiregisseuren, wie etwa das Büro eines Kommissars aussehen muss

von PHILIPP DUDEK

Der typische Kommissar trägt ein abgewetztes Bekleidungsstück seiner Wahl, raucht, ist Einzelgänger und ignoriert die Anweisungen seiner Vorgesetzten. Im Alleingang, vielleicht auch mit einem ebenso abgewrackten Partner, löst er komplizierte Mordfälle. So schaut Polizeiarbeit im Fernsehen aus.

In Wirklichkeit läuft so ein Polizistenalltag natürlich anders ab, und es gibt immer mehr Filmproduzenten, die diesen Alltag auch möglichst realistisch darstellen wollen. Aber wer nicht vom Fach ist, weiß von dem seltsamen Menschenschlag des Kommissars nur aus dem Kino oder eben aus dem Fernsehen.

Als ehrbarer Bürger betritt man relativ selten ein Polizeipräsidium, und noch seltener kann man die Polizei tatsächlich bei der Arbeit beobachten. Auch Regisseure und Drehbuchschreiber wissen nicht immer, wie sich ein Kommissar verhält und wie sein Büro auszusehen hat.

Film- und Fernsehteams, die Polizeiarbeit realistisch darstellen wollen, wenden sich deshalb an Jutta Wegner. Die 59-Jährige ist Angestellte im Bereich Öffentlichkeitsarbeit im Berliner Polizeipräsidium. Sie ist hier Film- und Autorenberaterin und ihres Wissens nach wohl die einzige dieser Art in Deutschland: „Bisher hat mir noch niemand widersprochen, wenn ich gesagt habe, außer mir gibt es niemanden, der so etwas macht.“ Ihre Hauptaufgabe sieht Wegner darin, „Berlin filmfreundlich zu machen“.

Zu ihrem Job gehört es hauptsächlich, Fragen zum Verhalten echter Polizisten zu beantworten. Die größten Fehler sieht Wegner in dem dargestellten Einzelgängertum der Fernsehkommissare. So bestehe eine Mordkommission immer aus acht Personen – und nicht aus zwei „Tatort“-Kommissaren, dem fernsehtauglichen Tandem. Was im Film spannend ist, heißt in der Realität „Eigensicherung“ und kommt bei den Fernsehbeamten viel zu kurz: „Kein Polizist hebt allein im dunklen Wald eine Mafiabande aus. Wenn das so laufen würde, wären sicherlich schon 50 Prozent der Berliner Kommissare ausgerottet.“

Helikopter für 2.200 DM

Doch nicht nur die Beratung gehört zu iherm Job, sie vermittelt auch Experten und hilft bei bürokratischen Problemen und Einzelfragen. Nebenbei vermittelt sie Schauspieler an Kollegen weiter, die ihnen Schießunterricht erteilen. Und manchmal organisiert sie auch die Vermietung von schwerem Gerät.

So kostet beispielsweise ein Wasserwerfer mit vier Mann Besatzung rund 500 Mark pro Stunde. Einen der zwei Berliner Polizeihubschrauber kann sich ein Filmteam schon für günstige 2.200 Mark pro Stunde sichern. Inklusive Pilot, versteht sich.

Dennoch sieht Jutta Wegner ihre Aufgabe nicht darin, Filmcrews mit Ausrüstung zu versorgen. „Funkwagen und Uniformen kann man sich auch bei Requisiteuren ausleihen, und die brauchen das Geld in der Regel dringender als wir.“

Nur exklusive Ausrüstung kann man in Ausnahmefällen direkt von der Polizei mieten, eben Wasserwerfer oder Helikopter. Allerdings immer mit Besatzung, da nur Polizeibeamte diese Geräte bedienen dürfen. Mit dem Geld soll auch kein Gewinn gemacht werden. Mit der Mietgebühr werden nur die Unkosten gedeckt.

Kampf gegen Klischees

Seit 1972 ist Jutta Wegner bei der Polizei. Seit drei Jahren setzt sie sich dafür ein, dass die Arbeit der Beamten realistisch dargestellt wird. Zu ihren schwierigsten Aufgaben gehört es, festgefahrene Klischees aus den Köpfen der Drehbuchautoren zu hämmern. So hängen beispielsweise bei der Mordkommission, anders als in Krimis dargestellt, niemals Fotos vom Tatort an der Wand: „Da hat kein Schwein etwas hängen. Höchstens vielleicht Fotos von der Familie. Man kann doch keine zerstückelten Leichen in einem Raum aufhängen, wo die Putzfrau täglich durchwischt.“

Wegner selbst hat in ihrem Büro hauptsächlich Filmposter hängen. Außerdem Fotos von Uniformen, Booten der Wasserschutzpolizei und zahlreiche Abzeichen und Schilder. Schließlich muss sie den Anrufern sagen können, was alles im Angebot ist. Allein 1999 landeten 500 Anfragen aus dem In- und Ausland auf ihrem Tisch.

Als Fernsehzuschauerin ist Jutta Wegner eher nachsichtig. „Ich finde Serien nicht gut, in denen Kollegen lächerlich gemacht werden. ‚Kommissar Rex‘ ist beispielsweise so ziemlich das Unrealistischste, was es gibt.“ Allerdings gibt es auch Sendungen, die die Expertin zu schätzen weiß: „ ‚Wolffs Revier‘ und ‚Ein starkes Team‘ sind sehr realistisch, das gefällt mir.“

Was realistisch ist und was unbekümmerte Fiktion, das erkennt Jutta Wegner an Details: Wenn Schauspieler von „Spezialeinsatzkommandos“ und „Präzisionsschützen“ reden, ist alles im grünen Bereich. Humbug ist es dagegen, wenn ein „Sondereinsatzkommando“ mit „Scharfschützen“ bereitsteht. So reden nämlich nur noch Regisseure und Zuschauer, die davon keine Ahnung haben.