Der Versuch, Staat zu machen

Somalias neuer Präsident Abdulkassim Salad Hassan wird bisher nur von Scharia-Gerichten und ihren Milizen anerkannt, nicht aber von den Warlords

aus Nairobi PETER BÖHM

Erstmals seit neun Jahren hat Somalia wieder eine Exekutive. Am frühen Samstagmorgen wählte das Übergangsparlament in Dschibuti den 58-jährigen Abdulkassim Salad Hassan zum Präsidenten. Die somalischen Kriegsherren waren in den vom dschibutischen Präsidenten Omar Guelleh initiierten Friedensprozess nicht eingebunden, aber die Hauptstadt Mogadischu feierte die Wahl überschwänglich. Geschäftsleute verschenkten die stimulierende Droge Khat, und Restaurants luden die Menschen zu freiem Essen ein.

Guellehs Initiative stützt sich auf „die somalische Zivilgesellschaft“. Seiner Einladung nach Arta in Dschibuti folgten vor allem Clanälteste und Honoratioren, die nach dem Beginn des Bürgerkriegs 1991 ins Exil gegangen waren. Eine Handvoll Kriegsherrn kam, zog jedoch, nachdem sie bei der Vergabe der Parlamentssitze leer ausgegangen waren, enttäuscht wieder ab.

Schon vor den Wahlen hatten sich die Deputierten geeinigt, dass die Posten des Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers von den drei großen Clanfamilien besetzt werden sollen. Bei der Wahl des neuen Präsidenten dürften vor allem taktische Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Abdulkassim Salad Hassan ist Hawiye, kommt also aus jener Clanfamilie, zu der auch die Warlords in Mogadischu gehören. Dass er außerdem zwischen der UNO-Mission in Somalia (Unosom) und Mohammed Farah Aideed zu der Zeit zu vermitteln suchte, als sie gegeneinander kämpften, prädestiniert ihn dazu, nun auch mit den Kriegsherren in Mogdischu zu verhandeln. Hassan war Vize-premier- und Innenminister im letzten Kabinett des somalischen Diktators Siad Barre.

Der Präsident und das Parlament werden für drei Jahre amtieren, danach wird sich das Haus in eine verfassungsgebende Versammlung verwandeln. Es wird davon ausgegangen, dass Hassan einen Premier aus der Darod-Clanfamilie ernennen wird.

Obwohl Hussein Aidid während der Verhandlungen betont hat, dass er die in Arta gewählte Regierung bekämpfen und ihre Vertreter abfangen wird, stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie nach Mogadischu gehen kann. Die in Arta gewählte Regierung hat in Mogadischu einen unerwarteten Verbündeten gefunden: Die von den großen Kaufleuten finanzierten Scharia-Gerichte und ihre islamischen Milizen. Sie haben in den vergangenen Monaten die Straßensperren in einigen Teilen Mogadischus und des südlich davon gelegenen Küstenstreifens beseitigt und so Verkehr und Handel sicherer und auch billiger gemacht. Deshalb sind sie beliebt. Sie sind jedoch weit davon entfernt, diese Regionen unter Kontrolle zu haben.

Dass die Kriegsherren in Mogadischu langsam ihre finanzielle Basis und damit ihre Macht und Popularität verloren, ist nicht neu. Ob sie allerdings klein beigeben werden, ist fraglich. Der Präsident der Scharia-Gerichte Sheik Mohamed Abdi, selbst Mitglied des Übergangsparlaments, erklärte bereits, dass seine Milizen die Regierung „mit dem Gewehr“ unterstützen wird. So besteht die Gefahr, dass die Versöhnungskonferenz von Arta neue Spannungen in Somalia erzeugen wird. Viel wird davon abhängen, wie viel Unterstützung die Regierung von den Regionalmächten Äthiopien, Ägypten und Kenia und der internationalen Gemeinschaft bekommt.