Die Sache des Volkes

Fünf Monate tagten Clan-Vertreter in Dschibuti und arbeiteten sich von einem kleinen Erfolg zum nächsten

DSCHIBUTI taz ■ Dschibuti, unerträglich heiße Stadt am Golf von Aden. Der von Somalis bevölkerte Kleinstaat mit einer französischen Garnison ist nach dem Kalten Krieg nahezu in Vergessenheit geraten. Jetzt ist Dschibuti das Land, in dem das zerrissene Somalia seine Staatlichkeit wieder finden soll.

40 Kilometer westlich der Hauptstadt liegt inmitten hoher Berge die Kleinstadt Arta. Auf einem Sportplatz ließ der Präsident von Dschibuti ein riesiges Zelt errichten. Hier tagten mehr als 650 Delegierte aus Somalia und mehr als 2.000 Beobachter. In der Mitte der riesigen Versammlung haben 37 weibliche Abgeordnete als geschlossene Formation Platz genommen. Die Männer sind nach Clan-Zugehörigkeit platziert. Alle Abgeordneten tragen eine große blaue Schärpe, die der somalische weiße Stern ziert.

Die Sitzungsleitung obliegt dem 74-jährigen Alterspräsidenten Muhamed Abshir. Er war früher General und Polizeichef von Somalia und baute mit deutscher Hilfe nach der Unabhängigkeit 1960 die somalische Polizei auf. Der UN-Sicherheitsrat hat dieses Parlament anerkannt und sprach ihm kürzlich seine Unterstützung aus. Der erste Ausländer, der in diesem Hohen Haus zu Wort kommt, ist Rudolf Decker, ehemaliger CDU-Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg und heute Präsident des „Vereinigung zur Förderung der Völkerverständigung“.

Als Dschibutis Präsident Ismail Omar Guelleh mit seiner Friedensinitiative für Somalia begann, stand er zunächst ziemlich allein da. Kaum jemand in der internationalen Gemeinschaft hat diesem 13. Friedensversuch für Somalia eine Chance gegeben. Zu den vorausgegangenen und fehlgeschlagenen Bemühungen gehörte 1993 immerhin die Milliarden Dollar verschlingende militärische Intervention unter der Führung der USA. Es folgten politische Initiativen Ägyptens, Libyens, Kenias und Äthiopiens.

Dschibutis Präsident bot seine Initiative am 20. September 1999 vor der UN-Vollversammlung an. Heute, nach fünf Monaten Konferenz, erkenne er Licht am Ende des Tunnels, sagt er. Der Grund: Guelleh ging davon aus, dass ein Neuanfang in Somalia eine Sache des Volkes und nicht der Warlords sein müsse.

Zunächst lud er die in aller Welt verstreuten Intellektuellen Somalias ein, nach Dschibuti zu kommen und Ideen zusammenzutragen. Bald bestand Einigkeit darüber, dass die Wurzel aller Übel im Streit der Clans untereinander zu suchen sei. Dann lud der Präsident die Ältesten und Anführer der Clans ein. Nach heftigen Diskussionen einigten sie sich auf den Grundsatz der Versöhnung und der Vergebung als Anfang aller Überlegungen und beschlossen die Einberufung einer 650 Mitglieder umfassenden Konferenz nach einem von den Ältesten vereinbarten Schlüssel.

Arbeitsgruppen erarbeiteten Vorschläge zur Entwaffnung der Milizen, zum Wiederaufbau und zur Hauptstadt Mogadischu. Die Annahme dieser „Charta“ war der erste Schritt zur Wiederbelebung eines somalischen Staatswesens. Dann wurde das auf drei Jahre befristete Übergangsparlament gebildet. Es besteht aus fünf Clan-bezogene Fraktionen und einer Frauenfraktion.

Nun will Dschibutis Präsident Guelleh vor den Vereinten Nationen erneut das Wort ergreifen und die Weltgemeinschaft bitten, Somalia beim Neuanfang zu helfen. Davon hängt letztendlich der Erfolg dieser Initiative ab.

MAHO AVES

Der Autor ist Somali und lebt seit 1966 mit Unterbrechungen in Deutschland, heute als Dozent für Volkswirtschaft. Er nahm als Delegierter an den Beratungen in Dschibuti teil.