Brot und Spiele mit Hängen und Würgen

■ Hard Pop Days: „Kein Applaus für Scheiße“, gab Smudo als Losung in Hannover aus

Betretene Gesichter auf dem edlen Rasen des Sportparks am Samstag in Garbsen: Wer im Laufe des Nachmittags das Gelände im Wes-ten Hannovers erreichte, um mit 5 Sterne Deluxe oder Bad Religion das Festival zu beginnen, kam zu spät. Die Helden waren bereits fertig. Da Millencollin und der Special Guest abgesagt hatten, beschloss der Veranstalter, das Programm einfach schneller durchzuziehen. So sahen „die Leude“ nicht Tobi, Bo und Konsorten, sondern kamen gerade rechtzeitig zum Ende von Greg Graffins „20th Century Boy“.

Dadurch reduzierten sich die „Hard Pop Days“ für einen Großteil der Besucher auf das Gipfeltreffen der beiden großen deutschen Bands. Jugendliche Baggy-Hosen-Träger erwarteten die Fantastischen Vier und Pärchen, die sich einst bei „Geschwisterliebe“ verliebten, auf die Ärzte. Zwei Generationen, ein Thema: „Zu spät“ oder „Sie ist weg“.

„20 Dollars, a T-Shirt and a blow-job“, gab es im Vorfeld bei der Bloodhound Gang zu gewinnen: Jimmy Pop tobte sich seine knappe Stunde lang aus, veranstaltete eher eine Gameshow als ein Konzert. Brot und Spiele für die Krauts: 100 Dollar für ein Mädchen, die einen Topf Sauerkraut während des Gigs auffuttert. Ein junger Mann folgte dem Angebot, zu „Chasey Lane“ zu strippen, und zog bis auf den Bierbauch blank.

„Nicke mit dem Kopf und beweg deinen Arsch.“ Ob die 5 Sterne Jimmy den Deichkind-Refrain beigebracht hatten? Es war ein Heiden-Spaß: Pac-Man-Tanzen, Ballspielen und Karaoke-Singen. Wenigstens ihr Gig ließ miserable Organisation und mittelmäßigen Sound vergessen.

„Wir werden auftreten, bis der Sack lang wird!“, verkündete später der redselige Smudo, weil ihre Songs einfach „zu geil“ sind. „Was geht“? Munter und gutgelaunt hüpfen die Fantastischen Vier plus Band über die Bühne. Thomas D. gefiel sich gut in seiner Rolle als messianischer „Krieger“. Wie gekreuzigt räkelt es sich vor dem Mikro, seine Tatoos zeigend. Seit der „Personal Trainer“ mit auf Tournee geht, übernimmt er den Boygroup-Part noch viel lieber. Haut zeigen. Hausmarke lächelt dazu, Smudo tritt mit schüchternem Blick einen Schritt zurück, mimt den Denker: um die Informationsflut zu ordnen, gab er die Zeitungs-Überschrift vor: „Die Schlagzeile lautet: Kein Applaus für Scheiße!“. Danke schön.

Das Gelände leert sich: Smudo oder Bela. Kaum jemand kann sich mit beiden Punk-Pop- oder Hip-Pop- Urgesteinen anfreunden. So schließen die „Hard Pop Days“ mit einem intimen Ärzte-Gig ab. Die aktuelle Jugend verabschiedet sich währenddessen: sie hat die vier 5 Sterne verpasst und ihre vier Fantas gesehen. Volker Peschel