Grenzwerte für Handy-Strahlen

In den USA werden Handys ab November etikettiert, EU bastelt noch an Messverfahren

STOCKHOLM taz ■ Gleich zwei Sicherheitsaufkleber werden in einigen Monaten auf den Verpackungen der Mobiltelefone prangen. Einen der beiden vergibt die schwedische Angestelltengewerkschaft TCO. Sie hat als erste Richtlinien für Frequenz, Auflösung, Ergonomie und Abschirmung gegen elektromagnetische Felder aufgestellt und damit Standards gesetzt.

Mit dem Aufkleber bürgt sie nun für gute Grundwerte bei Energieverbrauch, ergonomischer Ausführung und Recyclingfähigkeit, aber auch für Strahlenwerte, an deren genauer Höhe man noch feilt. Denn: „Die Forschung gibt so unterschiedliche Messlatten“, so Helena Ahlberg von TCO-Utveckling.

Der andere Aufkleber, der die Buchstaben SAR für „Specific Absorption Rate“ trägt, misst die maximale Strahlung vom einzelnen Handy-Modell auf den Körper der Anwender in „Watt pro Kilogramm Körpergewicht“.

Jahrelang hatten sich die Handyhersteller gegen eine solche Strahlenmarke gewehrt. Warum sich alle plötzlich einig sind, diese nun doch einzuführen, erklärt Nokia-Pressechef Thomas Jönsson mit einem Vorstoß der USA: Dort müssen alle nach dem 1. August von den Behörden genehmigten neuen Handy-Modelle eine individuelle Angabe über den jeweiligen SAR-Strahlenwert haben: „In den USA werden wir ab November auf allen unseren Modellen den SAR-Wert vermerken. In Europa warten wir darauf, dass es einen einheitlichen Messstandard gibt, der ist bislang nämlich unklar.“ Mikael Westmark von Ericsson bestätigt das: „Wir sind in Kontakt mit verschiedenen Strahlenschutzbehörden. Standards und eine entsprechende Messausrüstung werden wohl Anfang kommenden Jahres klar sein.“

Unabhängig davon, auf welche Messmethode man sich schließlich einigen wird, ist schon jetzt klar, dass die Strahlung aller gängigen Handy-Modelle weit unterhalb aller Grenzwerte liegen wird, die von den USA, von der EU und von der Weltgesundheitsbehörde WHO empfohlen werden. Es wird keine Veränderungen an jetzigen Modellen geben, es werden vermutlich auch keine vom Markt genommen werden müssen. Der Nutzen für die Verbraucher wird vielmehr darin bestehen, sich zwischen mehreren Modellen für das strahlenärmste entscheiden zu können.

Doch die schwedische Verbraucherbehörde Konsumentverket zweifelt schon jetzt, ob die neuen Marken nicht vor allem eines bewirken: falsche Sicherheit. Denn der SAR-Wert wird lediglich eine Aussage darüber enthalten, welchen maximalen Wärmeeffekt die Radiostrahlen auf menschliches Körpergewebe haben. Ein wichtiger Effekt – aber eben doch nur einer von vielen Effekten des Handys am Ohr. „Alle Untersuchungen haben ja gezeigt, dass noch viele andere Sachen im Körper passieren, wenn man ein Handy benutzt“, so Anders Odell von Konsumentverket. „Dinge, die nur viel schwerer zu messen sind.“

Die WHO arbeitet derzeit intensiv an einem Projekt, ein möglichst umfassendes Bild der strahlenden Folgen von Handys, Antennen und Sendemasten auf den menschlichen Körper zu bekommen. Ein Projekt, das nach Odells Einschätzung frühestens in vier bis fünf Jahren brauchbare Resultate vorweisen wird. „Wir wissen heute einfach noch viel zu wenig, was diese Spannungsfelder mit dem Körper machen.“ Statt falsche Sicherheit zu suggerieren, sollte man die Verbraucher lieber über einfache Vorsichtsmaßnahmen aufklären. Zum Beispiel darüber, dass ein SAR-Strahlenwert von 2 Watt pro Kilogramm bei einem Abstand von einem Zentimeter zwischen Handy-Antenne und Ohr auf 0,1 bis 0,3 Watt pro Kilogramm sinkt, wenn die Antenne fünf bis sieben Zentimeter vom Ohr entfernt ist. REINHARD WOLLFF