„Großprojekte überfordern uns“

■ Rechnungshof kritisiert Schattenhaushalte / Bei fragwürdigen Investitionen fehlt ein wirksames Frühwarnsystem / Finanzsenator Perschau (CDU) weist Rechnungshof-Kritik scharf zurück

Die Nachricht von den Millionen-Defiziten beim Bremer Musical hat bei ParlamentarierInnen die Frage aufgeworfen, wer eigentlich das staatliche Ausgaben-Gebaren kompetent kontrolliert – und ob dem Rechnungshof dazu nicht mehr Rechte eingeräumt werden sollten. Gestern hat Rechnungshof-Präsident Lothar Spielhoff den 120 Seiten starken Prüfbericht des Rechnungshofs für das Jahr 1999 vorgestellt – und dabei selbst die Grenzen seiner Arbeit aufgezeigt.

Zwar nimmt der „Jahresbericht 2000“ viele Problemzonen der öffentlichen Ausgabenpolitik aufs Korn, vom 80.000 Mark teuren „versenkbaren Poller“ – dauerversenkt vorm Bremer Theater – bis zur „außerhaushaltsmäßigen Verschuldung“ durch Schattenkonten. Doch der Schein einer umfassenden Kontrolle könnte trügen, räumte Spielhoff ein. „Großprojekte wie Ocean- oder Space-Park überfordern uns.“ Der Landesrechnungshof sehe sich da „einer Phalanx von ausgebildeten Betriebswirtschaftlern gegenüber“. Solche Brocken seien zu groß. „Ein Kormoran kann keinen Seehund fressen.“

Weil der Rechnungshof nur begrenztes Personal zur Verfügung hat, war bereits die Mehrfach-Prüfung der mittlerweile auf Eis gelegten Pläne für den Rhodariums-Neubau zu einem „echten Kraftakt“ geworden, berichtete Spielhoff von hohem Input bei wenig Erfolg: Weil das Umweltressort eine Stellungnahme verzögerte, habe der Rechnungshof seine frühen Warnungen vor einer Investition, die sich nicht rechnen würde, lange verschweigen müssen. „Es ist ein Problem, wenn wir rechtlich gebunden sind, den Mund zu halten, bis die Betroffenen Gehör gefunden haben“, so Spielhoff. So kam die Kritik des Rechnungshofes sehr spät, die „rote Karte“ durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen noch später. Darum gehe es beim mit 50 Millionen Mark veranschlagten Gewächshaus heute quasi nur noch ums „Weitermachen oder still sterben lassen?“ – was aber nur gelte, wenn der Kostenrahmen nicht mit 20 Millionen Mark überzogen wird, was der Rechnungshof wiederum befürchtet.

Auch angesichts der jüngsten Debatte um mangelnde politische Kontrolle beim Musical-Theater – über dessen Misere heute die Wirtschaftsförderungsausschüsse tagen – machte Spielhoff die Grenzen des Rechnungshofs deutlich: Sobald staatliche Gelder in den Händen privater Gesellschaften sind, unterliegen sie nicht mehr seiner direkten Kontrolle. Ansonsten wolle er sich zu dem Projekt nicht äußern.

Deutliche Kritik übte der Rechnungshof an der aktuellen Investitionspolitik Bremens. So würden Wirtschaftlichkeitsrechnungen von Maßnahmen viel zu selten vorgenommen. Wenn doch, dann oft fehlerhaft. So wurden 41 Maßnahmen überprüft, für deren Finanzierung die öffentliche Hand in die Trickkiste der „Vorfinanzierung“ gegriffen habe. Dabei sei keines gemäß der Haushaltsgesetze abgerechnet worden, monieren die Prüfer. Zugleich machte Spielhoff klar, dass der Rechnungshof eine Zwischen- und Vorfinanzierung von Projekten auf Pump – im Rahmen des „Kapitaldienstfondsgesetzes“ – ablehne, weil diese die Handlungsspielräume in den kommenden Legislaturperioden einengen könnten. Bereits jetzt verbiete die Haushaltslage unrentable Investitionen. Wo eine finanzkraftstärkende Wirkung „nicht prognostisch nachgewiesen werden kann, muss die geplante Maßnahme unterbleiben.“

Während SPD und Grüne die Arbeit des Rechnungshofes gestern lobten, reagierte Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) außergewöhnlich scharf. Die Kritik sei in weiten Teilen nicht sachgerecht. Statt sich an der Haushaltsmodernisierung konstruktiv zu beteiligen, verschanzten sich die Prüfer „im komfortablen Bremserhäuschen, wo sich der Staub der Kameralistik sammelt“. ede