Terror am Telefon

Dubiose Geldeintreiber bedrohen den ehemaligen Geschäftsführer einer Baufirma. Die Polizei reagierte erst, als sie zufällig Drohungen mit anhörte

„Das ist kein Kinderspiel mehr, jetzt geht es richtig los.“

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Schmargendorf im Südwesten der Stadt ist ein beschauliches Viertel: Wohin das Auge schaut, wächst üppiges Grün, Rentnerinnen tragen gemächlich ihre Einkäufe nach Hause. Das wahre Leben pulsiert woanders.

Dass die schönste Idylle Kulisse für Unheil sein kann, davon weiß Klaus Sch. ein Lied zu singen. Der 50-Jährige war bis vor sieben Jahren Geschäftsführer einer Baufirma und ist jetzt Geschäftsführer eines Unternehmens in Schmargendorf, das seinem Lebensgefährten gehört. Klaus Sch. will weder die Branche noch den Namen der Firma, in der er seit fünf Jahren arbeitet, in der Zeitung lesen. Der Grund: Klaus Sch. wird bedroht.

Das Szenario könnte aus der Feder eines Drehbuchautoren stammen: Als die Baufirma pleite ging – „Ich habe von meinem Auftraggeber mein Geld nicht bekommen“ – hatte Klaus Sch. Schulden bei einer Innenausbaufirma. Ein Gerichtsurteil bezifferte die Außenstände auf 94.313,66 Mark plus Zinsen. Nur: Klaus Sch. war zahlungsunfähig und gab 1995 eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse ab. Auf gut Deutsch: einen Offenbarungseid. Weil er nach drei Jahren noch immer mittellos war, leistete er 1998 erneut einen Offenbarungseid.

Doch genützt hat ihm das nicht. Vor zehn Tagen verschafften sich einige Männer Zutritt zu dem Grundstück seines Lebensgefährten in Marienfelde. Weil er selber nicht zu Hause war, ließen sie sich von der Großmutter seines Freundes seine Büro-Nummer geben. Zwei Tage später erhielt er einen Anruf, in dem „auf Empfehlung“ nach einer Fassadenrenovierung gefragt wurde. Obwohl Klaus Sch. sagte, dass die von ihm vertretene Firma solche Dienstleistungen nicht anbiete, bestand der Anrufer auf einem persönlichen Gespräch. Klaus Sch. lehnte ab.

Am nächsten Tag, vergangenen Donnerstag, erschienen drei Männer, ein Deutscher und zwei Ausländer, in seinem Büro. „Der Wortführer teilte mit, dass er die Forderung der Innenausbaufirma aufgekauft habe“, schildert ein Freund von Klaus Sch. die Ereignisse in einem Gedächtnisprotokoll. Von dem Papier, dass Klaus Sch. unter die Nase gehalten wurde, konnte dieser nur einige Wortfetzen erhaschen. Der Wortführer erklärte, dass es sich bei der Forderung um 215.000 Mark handele. Als Klaus Sch. erwiderte, dass er nicht zahlen könne, erhielt er zur Antwort, dass er ja einen Bekannten hätte, der das Geld „locker machen kann“.

Die Herren, denen es offenbar egal war, dass weder Ehegatten noch Lebenspartner haftbar gemacht werden können, verabschiedeten sich mit klaren Worten: In vier Tagen kämen sie erneut vorbei – zur Geldübergabe. Wenn nicht, würden sie „andere Saiten aufziehen“. In der fälschlichen Annahme, bei der alten Dame, die ihnen die Telefonnummer gegeben hatte, handele es sich um die Mutter von Klaus Sch., ergänzten sie, dass er „an die Familienehre“ denken solle.

Die Großmutter seines Freundes wurde kurzerhand ausquartiert und Klaus Sch. wandte sich an die Polizei. Doch sowohl bei der für das Büro zuständigen Direktion als auch bei der an seinem Wohnort bekam er nur laue Ratschläge: „Mir wurde gesagt, ich solle die Tür nicht öffnen und im Bedarfsfall 110 wählen“, so Klaus Sch., der bei jedem Telefonklingeln zusammenzuckt. Der Freund, der das Gedächtnisprotokoll verfasst hat, wandte sich in seiner Verzweiflung an eine grüne Abgeordnete in Lichterfelde, die ihm die Telefonnummer einer Anwältin gab. Diese versuchte vergeblich, den ehemaligen Subunternehmer zu erreichen.

Klaus Sch. indes fühlte sich von der Polizei im Stich gelassen. „Natürlich sind Außenstände ärgerlich“, sagt er, „aber man kann mir doch nicht Schläger auf den Hals hetzen.“ Er besorgte sich K.-o.-Spray, sein Freund heuerte für den Tag der angekündigten Geldübergabe eine Detektei an. Die 5.000 Mark dafür waren jedoch rausgeworfenes Geld. Denn als Klaus Sch. bei einem weiteren Telefonat sagte, dass er nur einige tausend Mark auftreiben könne, verschoben die Geldeintreiber die Geldübergabe auf gestern 14 Uhr – mit dem Hinweis: „Es ist kein Kinderspiel mehr, jetzt geht es richtig los.“

Als ihr Anruf einging, sprach Klaus Sch. zufällig auf seinem Festanschluss mit der Polizei, so dass der Beamte die Drohungen mit anhören konnte. Daraufhin legten sich die Beamten ins Zeug: Gestern mittag bezogen zehn Polizisten in Zivil rund um das Büro Stellung. Um 15.15 Uhr war es so weit: Kaum betraten zwei Herren das Büro, klickten schon die Handschellen. Doch erleichtert ist Klaus Sch. nicht. Denn kurz darauf klingelte das Telefon. „Was treiben Sie für ein Spiel?“, hörte er die Stimme des Wortführers von vergangener Woche. „Das werden Sie bereuen.“